Neue politische Landkarte

WAHLSCHLAPPE Nur noch das Elsass und zwei Überseeregionen verbleiben bei der UMP. Die Familie Le Pen erzielt über 20 Prozent

■ Nach der Niederlage der Konservativen steht offenbar ein Regierungsumbau bevor. Der frühere Übersee- und Innenminister François Baroin solle den Posten des Haushaltsministers übernehmen, hieß es am Montag in Kreisen der Regierungspartei UMP. Baroin gilt als enger Vertrauter des früheren Präsidenten Jacques Chirac und als Vertreter einer sarkozykritischen Strömung in der Partei. Das Wochenmagazin Le Point berichtete auf seiner Website, Baroin werde den bisherigen Haushaltsminister Éric Woerth ablösen. Dieser wiederum solle das Arbeits- und Sozialministerium von Xavier Darcos übernehmen. Laut Le Monde ist Letzterer durch seine schwere Niederlage in der Region Aquitaine angeschlagen. (afp)

AUS PARIS RUDOLF BALMER

Die regierende konservative Union pour un Mouvement Populaire (UMP) von Präsident Nicolas Sarkozy hat bei den Regionalwahlen eine schwere Schlappe erlitten. Von den 22 französischen Regionen des europäischen Teils der Republik gewann die UMP nur in einer einzigen: dem Elsass. Dass es der UMP schließlich gelang, die traditionell bürgerliche Region im Osten Frankreichs zu halten, ließ zunächst fast den Eindruck entstehen, sie sei in ihrer Niederlage noch glimpflich davongekommen.

Außerdem siegte die UMP in zwei Überseeregionen dank sehr spezieller Konstellationen: In Französisch-Guyana hatte die UMP auf die Karte eines sehr populären Exsozialisten gesetzt, und auf der Insel La Réunion waren die seit Jahrzehnten regierenden Kommunisten mit den Sozialisten so zerstritten, dass die stimmenmäßig klar minoritäre UMP den Wahlsieg davontrug. Und im südfranzösischen Languedoc-Roussillon wurde der von den Sozialisten ausgeschlossene Georges Frêche problemlos wiedergewählt. Trotz seiner rassistischen Sprüche kommt die Linke an diesem kompromittierenden, aber beliebten Exgenossen auch in Zukunft nicht vorbei.

Da also die Linke den erhofften „Grand Slam“ verpasst und nicht sämtliche 26 Regionen in Europa und Übersee erobert hat, blieb der Regierungspartei das totale Debakel erspart. Vielleicht hatte die sozialistische Parteichefin Martine Aubry, die seit Wochen vorlaut von „France toute en rose“ (einem Frankreich ganz in der Parteifarbe Rosarot) geträumt hatte, in ihrem Optimismus den Mund etwas zu voll genommen. Trotzdem hat die Linke in Frankreich einen geradezu historischen Sieg errungen.

Selten war der Abstand zwischen einer regierenden Rechten und der oppositionellen Linken so groß: Die aus Sozialisten, „Europe Ecologie“ (Grüne und Umweltgruppen) und Linksfront (Kommunisten und Linkspartei) bestehende linke Allianz erhielt rund 54 Prozent der abgegebenen Stimmen, gegenüber lediglich zirka 36 Prozent für die UMP von Präsident Nicolas Sarkozy. Der Rest der Stimmen entfiel vor allem auf den rechtsextremen Front National, der in immerhin zwölf Regionen an Stichwahlen teilnehmen konnte.

Damit hat sich in Frankreich ganz offensichtlich die politische Situation radikal gewandelt: der rechte Präsident und seine Regierung gegen die „Provinz“. Die Regionen sind mehr denn je eine institutionelle Gegenmacht, die sich der Zentralregierung nach Möglichkeit widersetzen wird. Die frühere sozialistische Präsidentschaftskandidatin Ségolène Royal, mit 61 Prozent in ihrer Hochburg Poitou-Charentes glänzend wiedergewählt, forderte in ihrer Dankesrede auch gleich, die Regionen müssten „ihre Rolle als Schutzwall gegen die ineffiziente und ungerechte Regierungspolitik“ wahrnehmen. Wie sie wurden alle bisherigen sozialistischen Regionsvorsitzenden klar bestätigt. Die UMP, die im zweiten Durchgang in zahlreichen Dreieckswahlen durch eine unvermindert starke extreme Rechte behindert wurde, verzeichnete dagegen zum Teil katastrophale Resultate von oft weniger als 30 Prozent. Einen Wahlsieg errang ein linkes Wahlbündnis auch auf dem bisher von der Rechten gehaltenen Korsika.

Das Wahlergebnis dürfte die bereits existierenden Spannungen innerhalb der UMP vergrößern. Sarkozys lange Zeit unbestrittene Autorität ist angeschlagen. Die Frage ist nicht mehr tabu, ob die konservative Rechte bei ihrem Casting für die Präsidentschaftswahlen 2012 nicht dem derzeit mehr respektierten Premierminister François Fillon oder gar Rivalen wie den Expremiers Dominique de Villepin oder Alain Juppé den Vorzug geben sollte. Aus diversen Umfragen geht hervor, dass die Wähler nicht nur Sarkozys Politik, sondern auch seinen persönlichen Stil ablehnen.

Ein anderer Wermutstropfen für die rosa-grün-roten Wahlsieger ist das starke Abschneiden der extremen Rechten, das sie vollumfänglich der Regierung anlasten. Diese habe mit einer demagogischen Immigrations- und Sicherheitspolitik dazu beigetragen, fremdenfeindliche Ressentiments salonfähig werden zu lassen. FN-Parteichef Jean-Marie Le Pen erzielte an der Côte d’Azur bei seiner wohl letzten Wahlkampagne fast 24 Prozent, ein vergleichbar hohes Ergebnis machte im Norden seine Tochter Marine, die damit ihren Erbanspruch auf die Parteiführung gefestigt hat. Auf der Wahlkarte der rosa-grün-roten Wahlsiege ist das Wiedererstarken der FN wie ein brauner Klecks.