Ewiges Kinderzimmer

INDIE Singen kann Dion Luca von „Good Weather Girl“ nicht wirklich. Sie macht sich unverwechselbar

„Kunst kommt von Können!“ Auch einer von denjenigen Sätzen, die man allein schon deshalb blöde finden darf, weil diejenigen, die ihn benutzen, das, was sie kommentierend bezeichnen, in der Regel überhaupt nicht verstanden haben. Auf Musik angewendet, ändert sich dieser Satz, behält aber dabei seine prinzipielle Stoßrichtung. Er lautet dann übersetzt: „Die können ja nicht mal richtig singen und spielen.“

Wer so spricht, weiß vermutlich nichts von Punk und Post Punk, von Dilettantismus als Strategie, von Daniel Johnston und Maureen Tucker. Klammert man einmal die Politik aus, die im Einfachen und (scheinbar) Naiven absichtlich oder unabsichtlich Stellung bezieht gegen die glatt gebügelte, vordergründig perfekte Mainstream-Stangenware, bleibt allemal ein höheres Maß an Charme und Leidenschaft – man hört zum Beispiel die Aufbruchstimmung. So wie beim Londoner Geschwisterpaar Dion und Shem Luca, den Kindern der britischen Punkikone Soo Catwoman.

Nein, singen kann Dion Luca wirklich nicht. Zumindest legt sie keinen Wert darauf, es zu beweisen. Sie macht etwas anderes, viel besseres, sie macht sich unverwechselbar: Mädchenhaft infantiler wurde lange nicht gesungen. Dion Luca zieht die Vokale, maunzt wie eine Katze, phrasiert wie eine Neunjährige, lässt ihre Stimme leiern und zittern – und tatsächlich meint man bisweilen, eine jüngere, weibliche Ausgabe Daniel Johnstons vor sich zu haben, über dessen Vortrag Thomas Gross in der Zeit einmal so treffend schrieb: „ein dünnes, seltsam geschlechtsloses, wie mutiertes Singen aus einem ewigen Kinderzimmer“.

„Good Weather Girl“ gibt es noch nicht lange und eher zufällig: Dion Luca entdeckte das Singen als Möglichkeit, der Trauer um einen verstorbenen Freund Ausdruck zu verleihen. Aus ein paar Demos, auf der sie ihr Bruder auf der Akustikgitarre begleitete, wurde schließlich eine ganze CD namens „Boon“.

Es ist ein traumseliges, heiter-melancholisches Album voller kleiner Ohrwürmer geworden, das dominiert wird vom Gesang und in bester Indierock- oder Antifolk-Tradition instrumentiert mit Gitarre, Bass, Schlagzeug und ein paar Streichern dann und wann.

Man wird froh und traurig zugleich davon – vielleicht weil der Weg zurück ins Kinderzimmer eben doch nur in der Phantasie begehbar ist. MICHAEL SAAGER

■ Mi, 24. 3., 21 Uhr, Hasenschaukel, Silbersackstraße 27. Das Album „Boon“ erscheint bei Hazelwood /Indigo