Der patentierte Außenseiter

Es gibt Drohungen und Schmähungen, die sehen auf den ersten Blick aus wie Lob. In diesem Handwerk übt sich Wolfgang Kubicki oft und gern. Der Mann mit dem charakteristischen weißen Dreitagebart hat wieder erreicht, wonach er sich innig sehnt: Aufmerksamkeit. Dazu genügten dem Kieler FDP-Fraktionschef zwei Interviews zur rechten Zeit.

Darin drischt der einstige Vertraute Jürgen Möllemanns auf etliche Spitzenpolitiker ein. Am liebsten auf die der eigenen, derzeit ohnehin heftig kritisierten Partei. Über Guido Westerwelle urteilt der 58-Jährige, dieser sei „für eine Übergangszeit“ als Parteichef „kaum zu ersetzen“. Und wenn das „Westerwelle-Bashing“ weitergehe, „würde ich mir Sorgen um ihn machen“. Die Furcht ist schon jetzt so groß, dass er gleich zwei mögliche Nachfolger ins Spiel bringt: Gesundheitsminister Philipp Rösler und Generalsekretär Christian Lindner.

Damit ist Kubicki, der sagt, er gelte nicht als „ausgewiesener Westerwelle-Freund“, Aufmerksamkeit gewiss. Denn parteiinterne Kritiker ihres Vorsitzenden wagen sich trotz allen Grolls selten an die Öffentlichkeit. Hingegen nutzt der gelernte Rechtsanwalt den Schutz seiner Hausmacht im nördlichsten Bundesland ausgiebig für verbale Tiefschläge. Über den NRW-Wahlkämpfer Andreas Pinkwart urteilt Kubicki: „Wir haben Protagonisten in der Partei, die – weil sie keinen Arsch in der Hose haben – immer behaupten, die anderen seien schuld.“ Bayerns Ministerpräsident würde der zweifache Vater gern fragen: „Hat Ihre Abneigung gegen die Kopfpauschale auch damit zu tun, dass Ihre Familienplanung etwas aus dem Ruder gelaufen ist?“ Horst Seehofer hat ein Kind aus einer außerehelichen Beziehung.

„Wie passt der patentierte Außenseiter Wolfgang Kubicki immer noch in diese FDP?“, fragte schon vor Jahren deren Exbundesgeschäftsführer Fritz Goergen. Seine Antwort: „Deshalb. Er lebt von seiner Nische.“ Seit 14 Jahren leitet Kubicki die Kieler FDP-Fraktion. Sich selbst zeichnet er lieber als geläuterten Sünder, der aus Weisheit daheim bleibt: „Ich würde in Berlin zum Trinker werden, vielleicht auch zum Hurenbock.“ Er sei in dritter Ehe verheiratet, „und ich will auf keinen Fall auch diese Ehe ruinieren“. MATTHIAS LOHRE