strafplanet erde: wohnwelten des frühen 21. jahrhunderts von DIETRICH ZUR NEDDEN
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Eines nicht allzu fernen Tages um Viertel nach zehn im Museum für Alltagskultur: Meine Damen und Herren, wir betreten die Ausstellung „Wohnwelten des frühen 21. Jahrhunderts“, gesponsert und bestückt von der Baumarktkette Hornbach. Während unseres Rundgangs werde ich Ihnen den Jargon der damals gültigen Prospekte nicht vorenthalten. So erschließt sich am besten der historische Kontext, wenn nicht sogar die Befindlichkeit der Kundschaft.

Gleich hier links: „Miss Saigon“, eine Wohnwelt der Kategorie „Trend“, in der „westliche Coolness und östliche Pracht einen neuen Stil“ prägten. Das bedröhnt Sie sofort, denn der „traditionelle Mix aus Schwarz und Rot bleibt Opium fürs Auge“. Beachten Sie bitte auch über dem westöstlichen Diwan den 40 Zentimeter hohen Buddha. Der „Zauber asiatischer Kultur“ war für 19 Euro 95 zu haben.

Ein Gegenstück zu „Miss Saigon“ bildete „Al Mocca“, im März 2005 eine „Wohnwelt Trend“, ein Jahr später eine „Wohnwelt Country“, grad egal. So oder so, „Al Mocca“ war dreierlei: „Edel. Gediegen. Kolonial.“ Inspiriert von der Bambusrolle „schoko“ oder vom Pendelvorhang „Bommel“, erlag man en détail der „Verführung der Erotik“ direktemang auf dem Flokati „Mykonos“. Die klischeegesättigte Redensart „Dumm fickt gut“ war aber, das sei nicht verschwiegen, längst aus der Mode.

Gleich daneben die Wohnwelt „Down town“ für „dunkle magisch-mystische Räume“. In das gestalterische Konzept floss die Erkenntnis ein: „Wer Schwarz benutzt, zeigt, dass er jenseits der Masse stehen will.“ Der Andrang auf das exklusive Areal jenseits der Masse endete in einer wackeligen Schräglage, die in eine stabile Seitenlage zu bringen erheblicher Anstrengungen bedurfte, wie Historiker versichern.

Die Wohnwelt „Wellness Living“ hier rechts erklärt sich beinahe von selbst, sie paarte „futuristisch harmonische Schwerelosigkeit und leisen Luxus“ mit „fließender Eleganz“, spürbar auf dem Acryl-WC-Sitz „Style Wellness“ oder der Grasmatte „Funky“. Weniger bunt, aber ähnlich zurückhaltend wie „Wellness Living“ – wenn Sie mir bitte folgen wollen – vermittelte die Wohnwelt „Puristik“ „großzügige Einfachheit mit einem Hauch von Luxus“, kombinierte dezent „moderate Farben“ mit „einer Portion Hightech“.

So, jetzt zeige ich Ihnen noch unsere Präsentation der so genannten Fertigbilder, die ikonografisch von erheblicher Aussagekraft sein dürften. Erwartungsgemäß hält man vergeblich Ausschau nach röhrenden Hirschen und dem Sonnenuntergang in den Bergen, auch die Heidelandschaft und das Seestück waren längst als Kitsch entlarvt. Stattdessen schmückten mit dem seriellen Gestus eines Popart-Künstlers namens Warhol ein „Elvis, The King“, eine „Marilyn Monroe“ und wiederum „Buddha“ die trendigen Wände. Schenken Sie Ihre Aufmerksamkeit insbesondere dem „Hauch von Abenteuer“ der Wohnwelt „Havanna“, exemplarisch zusammengefasst im Fertigbild „Che Guevara“. Dezent der rote Stern an der Baskenmütze.

Und nun entdecken Sie auf eigene Faust im unterirdischen Geschoss die Sonderausstellung „Herzblut. Wille. Stolz.“, ebenfalls von Hornbach eingerichtet. Guten Weg.