Frauen-Land (II): Eine Arbeitssuchende

Silvia E. aus Krefeld ist arbeitslos – trotz Hochschulabschluss und Ehrgeiz. Seit Hartz IV bekommt sie weniger Geld

200 Euro, sagt Silvia E. „Aber ich rechne ja immer in Mark, also 400 Mark.“ So viel hat sie jeden Monat weniger auf dem Konto, seit es Hartz IV gibt. 200 Euro sind nicht viel, wenn man viel Geld hat. Doch Silvia E. ist arbeitslos und muss für sich und ihre 17-jährige Tochter sorgen. Da sind 200 Euro eine Menge.

Mehr als das Geld fehlt der 48-Jährigen, die ihren vollen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen möchte, ein Arbeitsplatz. Regelmäßig sucht sie die Stellenanzeigen ab, für ihren Wohnort Krefeld und die weitere Umgebung. Sie könnte etwa anderen Menschen den Umgang mit dem Computer beibringen, das hat sie schonmal gemacht. Wie so vieles in ihrem Leben: Eine Ausbildung im Einzelhandel, Abitur auf dem Abendgymnasium, Geburt der Tochter, Umschulung zur EDV-Anwendungstrainerin, die Arbeit in der Volkshochschule, ein Pädagogik-Studium und viele Nebenjobs.

Seit dem Jahr 2003 ist sie fertig mit dem Studium und arbeitslos. Anfang 2005 trat Hartz IV in Kraft und Silvia E. muss sich nun Sorgen um die Zukunft machen. Das Geld reicht nicht aus, um die Lebensversicherung weiter zu bezahlen. Und was ist mit der Altersvorsorge? Die Frauen, die jetzt Arbeitslosengeld II beziehen, werden im Alter nur Sozialhilfe bekommen.

Die Freundinnen von Silvia E. laden sie ab und an zum Essen ein oder überlassen ihr etwas zum Anziehen. „Ich bin 48 Jahre alt und muss abgetragene Kleider anderer Leute tragen“, sagt sie und ihre Stimme zittert, versagt schließlich ganz.

Mitte 2005 sah es eine Weile lang besser aus. Damals hatte sie ein Arbeitsangebot bekommen, sie arbeitete selbst in der Arbeitsvermittlung, betreute Arbeitslose und vermittelte sie zu Arbeitgebern. Doch die Arbeit war befristet und dauerte nur ein paar Monate.

Jetzt also wieder Arbeitslosengeld II. Jetzt braucht die Arbeitslosen-Betreuerin selbst wieder Betreuung. Wie sieht also ihre Unterstützung aus? Schließlich wurden die Einschnitte durch die Hartz-Gesetze ausdrücklich damit rechtfertigt, dass die Arbeitsagenturen sich besser um die Arbeitssuchendenkümmern werden.

Silvia E. hat bisher noch nichts von ihrem Sachbearbeiter gehört. Seit Februar müsste sie eigentlich Arbeitslosengeld bekommen, den Antrag hat sie rechtzeitig gestellt. Bis heute ist noch kein Geld angekommen und „das hat mir fast den Boden unter den Füßen weggerissen“, sagt sie und ihre Stimme zittert wieder.

Aufgeben wird sie trotzdem nicht – sie wird weiter für eine Chance für sich streiten. Ab April wird sie, die Diplom-Pädagogin, samstags Post austragen gehen. Und sie wird weiter auf die Stellenanzeigen achten, in denen Arbeitsvermittler oder EDV-Trainer gesucht werden: „Ich hoffe, dass ich die Kraft immer wieder finde, um weiterzukämpfen.“ SEBASTIAN HEISER