Ausverkauf des Regenwaldes

Brasilien will Holzfirmen Konzessionen für die Ausbeutung des Regenwaldes erteilen. Das dränge Raubbau zurück und sei so Voraussetzung für umweltverträgliche Nutzung

PORTO ALEGRE taz ■ Die Idee spaltet die brasilianische Umweltszene: Mit einem neuen Gesetz will die Regierung eine umweltverträgliche Nutzung des Amazonas-Regenwaldes ermöglichen. Danach sollen in den kommenden zehn Jahren Konzessionen für die Ausbeutung von 130.000 Quadratkilometer Staatsland im Amazonasgebiet erteilt werden. Dies entspricht der Fläche Englands. Präsident Lula da Silva hatte das Gesetz in der vergangenen Woche unterzeichnet.

Holzfirmen, die jetzt Raubbau betrieben, könnten künftig in einem legalen Rahmen arbeiten, sagt Umweltministerin Marina Silva. Die illegale Aneignung von Land durch Unternehmen werde erschwert, meint ihr Staatssekretär João Paulo Capobianco. Diese sei „die wichtigste Ursache für die Umweltprobleme in Amazonien“. Die Konzessionen sollen mit einer Laufzeit von 5 bis 40 Jahren gewährt werden.

Paulo Adario von Greenpeace feiert das Gesetz als „sehr wichtigen Schritt, damit der Staat die Kontrolle über seine Wälder zurückgewinnt“. Durch die Konzessionen an Holzfirmen könne es schwieriger werden, den Regenwald für Rinderzucht und Soja-Anbau illegal abzuholzen. „Es ist ein neues Paradigma“, jubelt Silva, in deren Ministerium viele ehemalige NGO-Aktive arbeiten.

KritikerInnen befürchten aber eine Privatisierung und den Ausverkauf des Regenwaldes. „In der Theorie ist das Konzessionsmodell wunderbar. Nur ist der brasilianische Staat unfähig, das riesige Amazonasgebiet zu kontrollieren“, meint Kátia Vasconcellos von Friends of the Earth.

In Südostasien und Zentralafrika habe das gleiche Modell zu einer „Umweltkatastrophe mit unwiderruflichen Verlusten für Flora und Fauna“ geführt, so der Geograph Aziz Ab’Saber. Hauptziel des Gesetzes sei der Einschlag von edlem Tropenholz. Die lukrativen Bäume seien aber sehr unregelmäßig verteilt, eine „nachhaltige“ Nutzung daher praktisch unmöglich.

Der Umweltjournalist Washington Novaes sagt voraus, dass der Ansatz auch aus ökonomischen Gründen scheitern wird. „In anderen Ländern sind diese Konzessionsprojekte von den niedrigeren Kosten des illegalen Holzeinschlages überrollt worden“, sagt Novaes. „Es gibt kein einziges Land in Lateinamerika, Asien oder Afrika, in dem dieser Weg funktioniert hätte.“

GERHARD DILGER