Nicht mal in der Schwebe

Schleswig-Holstein sieht im Bau eines Hanse-Transrapids nur eine „Vision“. Damit düpiert Regierungschef Carstensen seinen Amtskollegen Wulff, der eine Strecke in Niedersachsen will

Thyssen-Krupp-Chef Schulz nickte andächtig

Von Kai Schöneberg

Es ist ein Wunderzug. Darüber sind sich technikverliebte Vorstände und Politiker einig, seitdem der Transrapid 1979 auf der Internationalen Verkehrsausstellung in Hamburg vorgestellt wurde. Wie unbeliebt die Schwebebahn made in Germany aber im eigenen Land ist, musste bereits dunnemals Niedersachsens Ministerpräisdent Ernst Albrecht (CDU) erfahren, als ihm von Stelzen und Magnetbahnrauschen bedrohte Lokalpolitiker die geplante Verbindung zwischen Hamburg und Hannover um die Ohren hauten. Gut drei Jahrzehnte später ist Albrechts ministerpräsidentieller Nachfolger und Parteikollege Christian Wulff kaum weiter: Es gibt den 31 Kilometer langen Teststreifen im heimischen Emsland, eine Stummelstrecke in Schanghai – und weltweit eine Riesenzahl von Projekten. Darunter der „Hanserapid“, eine Verbindung zwischen den Niederlanden, Oldenburg, Bremen und Hamburg, die Richtung Osten fortgeführt werden soll. Auf deren Verwirklichung zu pochen und Hoffnungen beim Wähler zu wecken bringt immer Schlagzeilen. Das weiß auch Wulff.

Kein Wunder, dass er am Freitag „sehr zuversichtlich“ war, dass sich China „in den kommenden drei Monaten“ für die Verlängerung der Transrapid-Strecke um 160 Kilometer nach Hangzhou entscheiden werde. Neben ihm saß schließlich Ekkehard Schulz, Vorstandschef des am Transrapid-Bau beteiligten Stahlkonzerns Thyssen-Krupp. Schulz fügte beruhigend hinzu, entgegen anderslautender Gerüchte habe die chinesische Transrapid-Kopie namens „Delphin“ erst den Stand der Technik erreicht, „den wir vor 15, 20 Jahren hatten.“

Die letzten Restzweifel bei den Chinesen werde Anfang April eine Entscheidung der Niederlande ausräumen, eine Strecke zwischen Amsterdam und Groningen zu bauen, betonte Wulff – und schuf sich eine prima Steilvorlage für seinen „Hanserapid“. Vor kurzem hatten die fünf norddeutschen Ministerpräsidenten einen Brief an Kanzlerin Angela Merkel (CDU) geschrieben, in dem sie baten, die Planungen für die Strecke „in die verkehrspolitischen Planungen der Bundesregierung aufzunehmen“. Wenn man den 400 Stundenkilometer schnellen Sausezug „2040, 2050 fertig haben will, müsste man 2006 anfangen zu planen“, sagte Wulff. „Optimal“ sei eine Anbindung ans Baltikum, dann sei „Deutschland in der Sandwichlage“. Thyssen-Krupp-Chef Schulz nickte andächtig.

Wie realistisch der Wulffsche Plan ist, zeigte jetzt Amtskollege Peter Harry Carstensen (CDU). Die Antwort der schleswig-holsteinischen Landesregierung auf eine kleine Anfrage der Grünen verweist die niedersächsischen Wünsche in die Fata-Morgana-Liga. Das Projekt wird mehr als zurückhaltend bewertet. Das Kieler Kabinett habe sich mit dem Transrapid-Projekt „nicht befasst, da es sich nicht um ein konkretes Vorhaben handelt“, heißt es in der Antwort. In Schleswig-Holstein sieht man die Magnetbahn nicht mal in der Schwebe: Es handele sich nur um eine „Vision“. Da „keine konkrete Planung“ vorliege, gebe es auch bislang noch „keine Kostenermittlung“.

Der Kieler Grüne Klaus Müller gibt Carstensen recht. Wenn der Bund Regionalgelder für die Bahn streiche, sei es Unsinn, Millionen in den Transrapid zu schaufeln, der sich zudem „kaum sinnvoll in das bestehende Bahnnetz integrieren lässt“. Sein Parteifreund Enno Hagenah in Hannover hält es zudem für höchst zweifelhaft, dass die Niederlande auf die deutsche Technik setzen: „Dort gibt es fehlende Kapazitäten im Güterverkehr, der Transrapid befördert aber nur Personen“, sagt Hagenah. Aber selbst nach dem Bau eines holländischen Transrapids, so Hagenah, „rauscht er noch lange nicht durch die norddeutsche Tiefebene“.