Die Herrin der Scharniere

Annette Kaltenbach behauptet sich erfolgreich in der Männerdomäne Stahlindustrie. Als ihr Vater starb, übernahm die studierte Pädagogin den Betrieb – und brach mit den alten hierarchischen Strukturen. Das stieß nicht nur auf Zustimmung

Zielorientiertheit – das ist nach der Ansicht von Annette Kaltenbach, Unternehmerin in der Stahlindustrie und Beirätin im märkischen Arbeitgeberverband, die wichtigste Eigenschaft für Frauen in Unternehmerpositionen. Sie muss es wissen: Kaltenbach führt seit über 15 Jahren ein Industrieunternehmen mit über 70 Angestellten – branchenbedingt überwiegend Männer. Allerdings dürfe bei aller Zielstrebigkeit nicht die Konfliktfähigkeit auf der Strecke bleiben.

Hier sieht Kaltenbach den entscheidenden Vorteil von Frauen in der immer noch vorwiegend männlich geprägten Unternehmerwelt. Auch in leitenden Positionen müsste man eigene Fehler eingestehen können, ohne dass einem dabei „ein Zacken aus der Krone fällt“. Männern stehe dabei öfter die eigenen Eitelkeit im Weg als Frauen.

Auf einer Veranstaltung von belladonna und der Bremer Handelskammer referierte Kaltenbach unlängst über ihren nicht immer einfachen Einstieg ins Unternehmertum: „Auch ich musste zunächst lernen, mich in dieser Männerwelt nicht einsacken zu lassen“.

Dabei war für sie die Übernahme des Familienunternehmens ein Sprung ins kalte Wasser: Nie hatte sie geplant, einmal das Unternehmen, welches Scharniere für Nutzfahrzeuge produziert, zu übernehmen. Viel zu „trocken und langweilig“ erschien ihr nach dem Abitur ein BWL-Studium. Lieber studierte sie Diplom-Pädagogik, besuchte Seminare von Alice Schwarzer und arbeitet später in der Organisation von Kinderfilmfestivals.

Nach dem Tod ihres Vaters stand Kaltenbach dann plötzlich vor der Entscheidung, was mit dem Familienunternehmen geschehen sollte. „Ich fühlte mich für die Mitarbeiter verantwortlich“, erklärt sie ihre Entscheidung, die Firmenführung selber zu übernehmen, anstatt das Unternehmen zu verkaufen. Oft sei sie am Anfang „gegen die Wand gelaufen“ – sie habe zunächst lernen müssen, dass in der Stahlindustrie ein deutlich anderer Ton herrsche als unter Pädagogen.

Besonders schwierig sei es gewesen, sich gegenüber älteren Mitarbeitern, die sie noch aus Kindertagen kannten, als Führungsposition durchzusetzen. Lange Zeit hätten weite Teile der Mitarbeiterschaft sie nur als Tochter vom Chef und eben nicht als neue Chefin angesehen. Dabei forderte Kaltenbach schon bald Flexibilität ihrer Belegschaft: Sie brach die alten hierarchischen Strukturen ihres Vaters auf, führte Gruppenarbeit ein und forderte Diskussionsrunden mit den Mitarbeitern.

„Sogleich ging das Gerücht durchs Dorf, dass das Unternehmen pleite geht“, erinnert sich Kahlenbach. Sie konzentrierte ihre Energie auf die Firma. Mit Erfolg: Sie konnte ihre Stellung am Markt weiter ausbauen.

Trotz ihres ungewöhnlichen Lebenslaufes sieht Kaltenbach dennoch eine große Kontinuität in ihrem Leben: „Ich habe mich stets für soziale Belange und Gleichberechtigung eingesetzt.“

Heute leistet Kaltenbach jungen Unternehmerinnen als Mentorin Unterstützung und beteiligt sich in Unternehmerinnen-Netzwerken.

Katja Früchtenicht