Die Theaterbesessene

Die neue Intendantin der Ruhrtriennale will die Musik der Region sichtbar machen. Dafür geht sie auf Heimatkunde

Die österreichische Alpen-Connection hat wieder zugeschlagen. Marie Zimmermann, bis 2007 noch Schauspielleiterin der Wiener Festwochen, wird ab 2008 neue Intendantin der RuhrTriennale. So wechselt also, nach Gerard Mortier und Jürgen Flimm (beide Ex-Salzburger Festspiele) auch die neue Chefin von der österreichischen Bühne auf die Bretter Nordrhein-Westfalens. Dass die dritte Auflage des Mega-Events eine Frau leite, „sei zwar nicht entscheidend gewesen, aber es freut mich“, sagte Kulturstaatssekretär Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff (CDU) bei der Vorstellung der zierlichen Theatermacherin, die seit 20 Jahren nicht mehr in NRW tätig war. Und dann fragte Grosse-Brockhoff: „Wo ist ein Aschenbecher?“

Die überzeugte Kettenraucherin Zimmermann bringt nicht nur vielfarbige Klamotten und jede Menge Qualm ins graue Schlips- und Dekor-Ambiente der Düsseldorfer Staatskanzlei, sie wird auch die RuhrTriennale bis 2010 gehörig umkrempeln. Dem „Schutz der zweiten Reihe“ entkommen, will sie Resonanzwellen in die Region senden und dessen Melodie sichtbar machen. Was sie darunter versteht, hat sie im letzten Jahr in Stuttgart beim Festival „Theater der Welt“ gezeigt. Da erzählte sie von der Lust auf und der Angst vor Veränderung, vom „Heimweh nach der Zukunft“ und dem „Wörterbuch des Schweigens“.

Hilfe wird die Theaterbesessene also nicht brauchen. „Mir wird genug einfallen, hier was Ungewöhnliches auf die Beine zu stellen“, sagt sie mit rauchiger Stimme und zündet sich die nächste Zigarette an. Theater und bildende Kunst werden bei ihrer Intendanz einen besonderen Stellenwert bekommen. Denn als Jüngstes von sechs Kindern habe sie zwar eine „hausmusikalische Vergangenheit“, aber, im Gegensatz zu ihren Vorgängern, bisher „nur eine unscharf gekennzeichnete Spur im Musiktheater“ hinterlassen.

Marie Zimmermann studierte Germanistik, Philosophie und Soziologie in Aachen und arbeitete dort 1984 als Pressereferentin für die Stadtwerke. 1985 begann ihre Theaterkarriere bei Friedrich Schirmer, der sie 1985 als Dramaturgin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit an die Württembergischen Landesbühne Esslingen holte und mit dem sie seit 1999 auch verheiratet ist. Im Jahr 2001 übernahm sie die Schauspielleitung der Wiener Festwochen unter Intendant Luc Bondy. Solange sie noch an der Donau unter Vertrag ist, wird sie in NRW ihrer Lieblingsbeschäftigung nachgehen: der „suchenden Heimatkunde“ – mit Respekt vor der ärmeren Off-Szene. „Ich weiß, wie sich das anfühlt“, sagt sie nachdenklich.

PETER ORTMANN