Kohlebergwerke auf dem Weideland

MONGOLEN Neuer Reichtum schürt Unmut: Zuwanderer profitieren von Wirtschaftsprojekten

PEKING taz | Die mongolische Minderheit fühlt sich so behandelt wie viele Minderheiten in China: An der offiziellen Gesetzgebung gibt es nur wenig auszusetzen. Ihre traditionelle Folklore dürfen die Mongolen pflegen. Sie sind von der Ein-Kind-Politik ausgenommen. Und Fernsehsender und Radiostationen in der eigenen Sprache sind ihnen auch erlaubt.

Zudem ist die Pekinger Führung darum bemüht, die aus ihrer Sicht zumeist rückständigen Regionen wirtschaftlich zu entwickeln. Das Problem: Die Regierung geht dabei oft sehr rücksichtslos vor. Wirtschaftliche und soziale Konflikte sind die Folge.

In der Volksrepublik China leben schätzungsweise 6 Millionen Mongolen, die meisten von ihnen im dem offiziell als Autonome Region Innere Mongolei bezeichneten Gebiet im Norden des Landes, das über viermal so groß wie Deutschland ist. Das entspricht fast der doppelten Bevölkerung der angrenzenden Äußeren Mongolei, die ein souveräner Staat ist.

Und doch liegt der Anteil der Mongolen in der Inneren Mongolei nur noch bei rund 17 Prozent. Wie auch in Xinjiang, Tibet und der Mandschurei in Nordosten Chinas hat der massive Zuzug der Han-Chinesen in den vergangenen Jahrzehnten dafür gesorgt, dass die angestammte Bevölkerung in ihrer eigenen Region zur Minderheit geworden ist.

Seitdem in weiten Teilen der Region gigantische Bestände an Bodenschätzen – vor allem an Kohle – gefunden wurden, sind überall neue Bergwerke und Industrieanlagen entstanden.

Hada bleibt verschwunden

Der neue Reichtum brachte aber auch neue Spannungen: Die Hirten, die bislang ihre Schafe, Kamele, Ziegen und Rinder auf dem Grasland geweidet haben, sind Mongolen. Manager und Beschäftigte in den neuen Fabriken, Kraftwerken und Minen sind vielfach Zuwanderer. Die Hirten wollen nicht, dass auf ihren Weideflächen Löcher für den Kohlebergbau gebuddelt werden und schwere Lieferwagen über das empfindliche Grasland rollen.

2011 kam es zu massiven Protesten, nachdem ein mongolischer Hirte versucht hatte, einen Kohletransport zu stoppen und dabei von einem Lastwagen überfahren wurde. Chinas Politiker reagierten daraufhin ähnlich martialisch wie zuvor bei Unruhen in Xinjiang oder Tibet: Das Militär riegelte weite Teile der Region ab, schloss in mehreren Städten die Universitäten, sperrte öffentliche Plätze, kappte wochenlang das Internet, ging hart gegen angebliche Rädelsführer vor, erschwerte den Kontakt der chinesischen Mongolen zu ihren Verwandten und Bekannten in der Äußeren Mongolei.

Prominentestes Opfer der chinesischen Repression ist bis heute der mongolische Menschenrechtsaktivist Hada. Der inzwischen 58-Jährige hatte sich bereits als Student in den frühen 1980er Jahren für mehr Autonomie der Mongolen und politische Rechte eingesetzt und auch eine eigene Partei gründen wollen. Anfang der 1990er Jahre wurde er verhaftet und musste ab 1995 wegen „Spionage“ und „Separatismus“ für 15 Jahre ins Gefängnis. Als er die Strafe im Dezember 2010 verbüßt hatte, verschleppten die Behörden ihn erneut. Bis heute bleibt er verschwunden. FELIX LEE