Anti-Schäuble im Akropolis-Museum

KRISE Griechenland bereitet US-Finanzminister Lew einen besonders herzlichen Empfang bei seiner Visite in Athen. Washingtoner Haushaltspolitik gilt als Gegenentwurf zu Sparforderungen aus Deutschland

ATHEN taz | Der Gastgeber war herzlich, das Ambiente besonders schick: Nicht in seinem schlicht anmutenden Amtssitz, sondern im architektonisch herausragenden Akropolis-Museum empfing Griechenlands Ministerpräsident Antonis Samaras US-Finanzminister Jack Lew am Sonntag zum Mittagessen.

Mit Blick auf die Akropolis fachsimpelten die beiden Ökonomen dem Vernehmen nach über die Krise im Süden Europas, den richtigen Policy-Mix von Geld- und Haushaltspolitik – und nicht zuletzt über einen Schuldenschnitt oder sonstige Erleichterungen der griechischen Schuldenlast. Anschließend sagte Lew zufrieden, Samaras habe die richtigen Entscheidungen im Kampf gegen die Finanzkrise getroffen.

Laut griechischen Medienberichten hatte Lew davor bei einem Treffen mit seinem Athener Amtskollegen Jannis Stournaras gesagt, die Sanierung des Staatshaushalts könne nicht nur auf Kosten der Arbeitnehmer erfolgen. Besser sollte sie durch Maßnahmen zur Beschleunigung des Wachstums ergänzt werden.

Kommentatoren in Griechenland betrachten derzeit die US-Haushaltspolitik als Gegenentwurf zur Sparpolitik deutscher Prägung, die das Land aus ihrer Sicht in die schwerste Rezession seiner Geschichte geführt hat. Immer wieder wird in Athener Medien an die gemeinsame Pressekonferenz des US-Finanzministers und seines deutschen Amtskollegen in Berlin Anfang April erinnert: Da forderte Lew die EU-Mitgliedstaaten auf, ihre Binnennachfrage zu stärken, um dadurch das Wachstum anzukurbeln. Schäuble hatte trocken erwidert, man solle sich nicht öffentlich Ratschläge erteilen. Am liebsten hätten die griechischen Gastgeber am Sonntag einen ähnlichen Hinweis Lews in Richtung Berlin gehört. Der kam in dieser Deutlichkeit jedoch nicht.

Dennoch werden die Konsultationen mit Washington zügig fortgesetzt: Am 8. August trifft US-Präsident Barack Obama mit Samaras im Weißen Haus zusammen. Als ein „Zeichen der Unterstützung“ für Griechenland wertete dies William Antholis vom Thinktank „Brookings Institution“ in einem Interview.

Auch wenn die Griechen wissen, dass bis zur Bundestagswahl niemand ein Interesse an negativen Schlagzeilen hat, ist derzeit vielen Politikern unbehaglich. Zu tief sitzt die Angst, dass eine neue Bundesregierung im Herbst erneut harte Sparforderungen an Athen stellen könnte.

In Deutschland kritisierte die SPD indes Merkels Krisenpolitik: Niemand müsse sich „wundern, dass aus dieser Heilfastenkur, die Frau Merkel den Europäern verordnet hat, inzwischen eine Magersucht geworden ist und wir richtig reinschlittern in eine europäische Rezession“, sagte Parteichef Sigmar Gabriel.JANNIS PAPADIMITRIOU