Kampf gegen Diskriminierung

ERSTE STUNDE Das Magnus-Hirschfeld-Centrum in Hamburg berät Homosexuelle seit 30 Jahren und ist auch bei der Organisation des Christopher Street Day seit Anfang an dabei

Das Magnus-Hirschfeld-Centrum (MHC) im Borgweg 8 in Hamburg eröffnete am 14. Mai 1983, um Schwulen und Lesben bei Diskriminierung beratend zur Seite zu stehen. Außerdem sollte ein neutraler Ort geschaffen werden, an dem Homosexuelle untereinander Kontakte knüpfen können.

■ Bis zu 1.300 Beratungen vor allem zu Fragen der Partnerschaft führt die Beratungsstelle innerhalb des MHC pro Jahr durch.

■ Mehr als 30 Selbsthilfegruppen treffen sich hier, um sich in schwierigen Lebenssituationen zu unterstützen oder ihre Freizeit gemeinsam zu verbringen.

■ Finanziert wird das MHC durch öffentliche Mittel, Spenden, Mitgliedsbeiträge, Einnahmen von Veranstaltungen.

VON MIRIAM KERN

Die Bürgersteige sind blank geputzt. Am Borgweg geht es gemächlich zu. Im Norden Hamburgs, im Stadtteil Winterhude, hat das Magnus-Hirschfeld-Centrum (MHC) ein Zuhause gefunden – zwischen Elektriker, Friseur und Reiseunternehmen. Es ist nicht lang her, da feierte die schwul-lesbische Beratungsstelle ihr 30-jähriges Bestehen. Luftschlangen dekorieren das Schaufenster des MHC. Eine ältere Dame spaziert mit ihrem Hund vorbei – ohne es zu beachten. Das war auch mal anders.

Um aus dem Dunkel der Nacht, den Parks und den Kneipen rauszukommen, plante der Trägerverein Unabhängige Homosexuelle Alternative (UHA) damals ein eigenes Beratungszentrum zu eröffnen – gemeinsam mit dem Lesbenverein „Intervention“. Im Förderantrag an den Hamburger Senat hieß es, Schwule und Lesben seien „wegen der anhaltenden Diskriminierung in besonderem Maße auf Kontakte und gegenseitige Hilfe untereinander angewiesen“. Der Antrag wurde genehmigt und der Verein zog in die Räume einer alten Bäckerei.

Genau als die Grünen das erste Mal in den Bundestag einzogen, eröffnete das MHC seine Türen. Das erste Zentrum für Homosexuelle in Hamburg mit Fenstern zur Straße – das gefiel damals nicht jedem. Manche Anwohner fühlten sich gestört, klagten auf Mietminderung wegen der neuen Nachbarn. Doch die Klage wurde abgewiesen, erinnert sich Michael Schilf. Der 51-jährige Sozialpädagoge engagiert sich seit gut 20 Jahren im MHC.

Streitigkeiten gab es aber auch in den eigenen Reihen: Verschiedene politische Gruppen prallten im MHC aufeinander. Auch Fragen nach den basisdemokratischen Strukturen führten immer wieder zu Auseinandersetzungen, erinnert sich Bea Trampenau vom Verein Intervention. Noch im Jahr der Gründung gingen der UHA und Intervention wieder getrennte Wege. Das MHC aber blieb erklärter Treffpunkt für alle. Warum sich das Zentrum über die vielen Jahre so gut halten konnte, erklärt Schilf vor allem mit der guten Zusammenarbeit und dem persönlichen Einsatz. „Es hat immer Leute gegeben, die das Zentrum unbedingt erhalten wollten.“ Wenn er von damals erzählt, leuchten seine Augen durch die Brille.

Heute versteht sich das MHC als eine Art „Mutterschiff“. Über 30 Selbsthilfegruppen haben hier auf drei Etagen einen Treffpunkt gefunden. Vor allem der offene Bereich des Cafés sei etwas besonderes, sagt Steve Behrmann, Leiter der Beratungsstelle. Stolz merkt der 50-Jährige an, dass sich dort alle treffen können – auch Heteros seien hier willkommen. „Wir erwarten Toleranz von ihnen, also tolerieren wir auch sie“, sagt er.

In der oberen Etage finden sich Büros und Beratungsräume. Rund 1.300 Menschen werden hier jährlich beraten. An den Inhalten hat sich über die Jahre kaum etwas geändert: Besonders das Outing sei für viele immer noch schwierig, sagt Behrmann. „Egal ob 14, 53, oder 80 Jahre alt – das Coming-out ist ein lebenslanger Prozess.“ Aber auch Probleme wie das Altern, Attraktivität und die Wohn- und Lebensform werden in den Gesprächen häufig thematisiert.

„Wir erwarten Toleranz von Heteros, also tolerieren wir sie auch“

Steve Behrmann, Beratungsstelle

Gerade mit Blick auf aktuelle Studien befürchtet Behrmann, dass besonders an Schulen die Homophobie weiter zunehmen könnte. Genaue Zahlen die diese Entwicklung belegen, gibt es aber nicht. Mit dem Aufklärungsprojekt „Soorum“ will das Zentrum aktiv dagegen angehen. Denn Homophobie ist für Behrmann noch lange nicht vom Tisch. Zwar outen sich heute mehr Menschen, doch das ruft dann eben auch wieder die Konservativen auf den Plan. Nach wie vor sei es wichtig, auf Diskriminierung aufmerksam zu machen.

Seit der ersten Stunde organisiert der Verein UHA den Christopher Street Day (CSD) mit, der seinen Anfang 1969 in New York mit den Aufständen Schwuler gegen Polizei-Willkür und Unterdrückung nahm, und bald auch nach Deutschland überschwappte. In den frühen 80er-Jahren gab es in Hamburg die ersten Demonstrationen. Der Tenor ist heute wie damals: Mehr Vielfalt soll es geben.

Die Kritik, dass der CSD heute vor allem von Männern dominiert werde, weist Behrmann zurück. Dieses Bild werde vor allem durch die Medien gezeichnet. Die Medien würden eben lieber einen Mann in bunten Kleidern und Federn im Haar, als eine Frau in Jeans zeigen. Er gibt aber auch zu, dass es in der Szene vereinzelt Chauvinismus gebe. Schwule und Lesben seien eben auch nur Teil unserer patriarchalen Gesellschaft.