„Studenten sind den Unileitungen egal“

Die SprecherInnen des freien zusammenschlusses der studierendenschaften, fzs, geben sich standhaft gegen das Bezahlstudium. Sie wollen auf ihrer Mitgliederversammlung Aktionen gegen die Föderalismusreform diskutieren. Sie verlangen, dass der Bund den Zuwachs an Studierenden mitfinanziert

INTERVIEW CHRISTIAN FÜLLER
UND FLORIAN HOLLENBACH

taz: Lange nichts gehört von den Studierenden.

Christian Berg: Ihr tazzler solltet vielleicht mehr lesen. Außerdem besetzen gerade Leute von uns in diversen Hochschulen Rektorate. Schon mal gehört?

Klar doch. Nur würden wir gern einschätzen, wie stark der studentische Faktor in der Politik ist – jenseits dieser 50 Männlein starken revolutionären Garden.

Es wäre doch verkürzt, Studenten nur auf Masse zu beziehen. Es geht um die Qualität.

Und die wäre?

Wir bringen uns stark ein gegen die unsinnige Föderalismusreform, die das Land spalten wird. Und in den Rektoraten vor Ort kämpfen wir gegen die Welle von Studiengebühren.

Aber in Stuttgart kann Ministerpräsident Günther Öttinger mitten in der Uni einen Hochschulkongress abhalten. Die Studierenden interessieren sich weder drinnen noch draußen dafür.

Regina Weber: In Baden-Württemberg wurden die Studierendenvertretungen über Jahre hinweg systematisch platt gemacht. Das ist nun das Ergebnis. In Nordrhein-Westfalen aber waren 3.000 Leute bei der Senatssitzung in Bielefeld, um gegen Gebühren zu demonstrieren.

Für den Hochschulpakt, der nötig wäre, um 300.000 Studierenden mehr bis zum Jahr 2012 durch die Uni zu helfen, haben wir noch keinen Studenten demonstrieren sehen.

Berg: Wir machen deutlich, um was es geht: Ohne eine massive Erhöhung staatlicher Mittel, würden wir erneut eine Generation Studierender ins Leere laufen lassen.

Wer soll denn das viele Geld beibringen?

Weber: Das müssen öffentliche Mittel sein. Der Staat muss ran.

Wer ist genau gemeint, wenn Sie Staat sagen?

Die Föderalismusreform, wie sie jetzt vorliegt, hat mit einer völligen Verschiebung der Bildungszuständigkeiten an die Länder zu tun. Das darf nicht beschlossen werden. Wir haben doch heute schon bundesweit starke Ungleichverteilungen. Länder wie Schleswig-Holstein oder die ostdeutschen Bundesländer werden nicht massiv Studienplätze ausbauen können.

Nur darf der Bund bald nichts mehr für Hochschulen geben.

Berg: Das ist der falsch Weg. Das sagen alle, die was von Bildung verstehen. Auch 82 Prozent der Menschen sind dafür, dass der Bund sich weiter an der Finanzierung der Hochschulen beteiligt.

Es geht ja nicht nur um Analyse, sondern ums Handeln.

Viele Länder zweifeln inzwischen an dem „Der Süden kriegt alles“-Deal. Auf diesen Zug wollen wir aufspringen.

Wie?

Unser Problem ist: Föderalismus ist kein Kracher unter Studis.

Geht es nicht um deren Studienplätze, die da vorsorglich nicht aufgebaut werden?

Aber damit reißt du niemanden aus dem Hörsaal. Wir wollen die Leute nicht nur auf die Straße holen, wir wollen informieren.

Wie steht der fzs heute zu Studiengebühren, da sie in einem halben Dutzend Bundesländern vor der Tür stehen?

Wir haben unsere Meinung nicht geändert. Studiengebühren sind ungerecht, sie wirken sozial selektiv – und daher sind wir nach wie vor dagegen. Punkt.

Ein Teil der Leute findet, man sollte den Studis mal Ihre Privilegien einzuschränken.

Weber: Welche Privilegien?

Eine Minderheit von gut einem Drittel bekommt die Chance zum Studium. Bezahlen sollen aber, über ihre Steuern, alle. Ihr seid also die Profiteure eines von unten bis oben ständisch durchorganisierten Bildungssystems. Und obenauf sitzt ihr und ruft: „Ungerecht, dass wir jetzt 83 Euro im Monat bezahlen sollen!“

Das ist Quatsch. Wenn die Zahl der Studierenden zu klein ist, dann ist das doch ein ganz anderes Problem. Dass alle die Chance zum Hochschulzugang bekommen – mit Studiengebühren erreicht man das jedenfalls nicht.

Werdet ihr dort versuchen, bei den Gebühren vor Ort die besten Lösungen für die Studierenden herauszuholen? In Nordrhein-Westfalen zum Beispiel habt ihr Einfluss.

Das ist doch Augenwischerei. Das Gremium dort, das angeblich entscheiden darf, hat keine echten Kompetenzen.

Es gibt eine Geld-zurück-Garantie, falls die Studienbedingungen nicht besser werden.

Die hat der Wissenschaftsminister im Kleingedruckten zurückgenommen.

Angenommen, ihr habt die Möglichkeit, die Gebühren an einer Uni von 500 auf 200 Euro zu drücken. Muss man sich da nicht politisch einmischen?

Berg: Die Realität sieht anders aus. Ein Dutzend Hochschulen hat mittlerweile den Auftrag erteilt, Studiengebührenmodelle von 500 Euro zu erarbeiten – obwohl es vorher immer wieder Unibeschlüsse gegen Studiengebühren gab. Das bedeutet, noch bevor das Gesetz in NRW beschlossen ist, wird gegen die Mehrheitsmeinung das Bezahlstudium vorbereitet.

Weber: Tolle Mitbestimmung! Den Unileitungen ist es egal, was die Studierenden wollen.

Ist es denn realistisch, wenn jetzt Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und andere Unionsländer Gebühren einführen, darauf zu hoffen, dass die anderen Länder das dann nicht machen?

Es tritt das ein, was wir immer vorausgesagt haben – ein Dominoeffekt. Ich glaube nicht, dass irgendein Bundesland sich in drei, vier Jahren leisten kann, Gebühren nicht einzuführen.

Und die Studierenden können sich dank des Rundum-glücklich-Kredits der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) von bis zu 650 Euro das bisschen Gebühren leisten.

Berg: Wer wäre nicht restlos glücklich – mit 128.000 Euro Schulden. Herzlichen Glückwunsch!

So viel Kredit und so lange Tilgungspläne gibt es gar nicht, dass man auf 128.000 Euro Schulden kommt. In der Regel soll es mit 16.000 Euro gut sein, bei voller Förderung und maximaler Studiendauer kommt man auf 60.000 Euro. Und praktisch jeder hat Zugang zu dem Kredit, sehr unbürokratisch.

Geht der Zinssatz ein bisschen hoch, hat man die 128.000 Euro schnell erreicht. Wir halten die Studienkredite der KfW definitiv für den falschen Weg der Studienfinanzierung. Es ist nicht unsere Vision von Studieren, das man zusammen mit der Diplomurkunde einen Schuldschein unterschreibt.

Ihr habt am Wochenende fzs-Mitgliederversammlung. Was sind die Themen?

Wir werden uns über geschlechtergerechte Studienganggestaltung unterhalten. Wir werden die Föderalismusreform debattieren und die Berufsverbote, die ja mittlerweile wieder sehr aktuell sind, leider.

Aha.

Ach, und wir wollen über die Frage des Semestertickets reden. Da werden gerade Regionalisierungsmittel gestrichen. Das hat massive Auswirkungen auf die Preise der Semestertickets …

Danke, da fallen uns keine Fragen mehr ein.