Kunstrundgang
: Harald Fricke schaut sich in den Galerien von Berlin um

Mai-Thu Perret: Apocalypse Ballet, bis 31. 3., Di. bis Sa. 11–18 Uhr, Galerie Barbara Weiss, Zimmerstraße 88–89

Schwarz wie Galle? Die Melancholie, die Annelies Strba meint, flirrt in hellem Licht. Für die großformatigen Prints der Schweizer Fotografin nimmt man sogar das betontrübe Ambiente der Konrad-Adenauer-Stiftung in Kauf. Ihre Motive sind seit Jahrzehnten schon ihre sehr hübschen und sehr langhaarigen Töchter, die schläfrig am Küchentisch kauerten oder durch Schneewehen wateten. Jetzt sieht man die beiden Frauen in Fin-de-siècle-Posen auf Wiesen und Diwanen liegen: Ophelias in Wonderland. Die Farben sind nachträglich von Strba so verfremdet worden, dass man die Figuren vor lauter Grünstich und Lavarot kaum erkennen kann. Dazu passt auch das abenteuerliche Video links neben dem Eingang. Bis kurz vor dem Stillstand verlangsamt drehen sich weibliche Gestalten und führen Schleiertänze mit den in der Bewegung zerfließenden Sonnenstrahlen auf. Das LSD, wer hat's erfunden? Die Schweiz. Eben.

Das befreite Leben ist bei Mai-Thu Perret im Kollektiv am schönsten. 1999 begann sie mit „The Crystal Frontier“ einen fiktiven Bericht über eine Gruppe von Frauen, die sich in der Wüste zu einer autonomen Kommune zusammenschlossen. Parallel zum Text stellt die 1976 in Genf geborene Perret Kunstwerke her, als vermeintliche Produkte der imaginären Gemeinschaft. Ihr „Apocalypse Ballet“ besteht aus vier Pappmaché-Mannequins, die Ringe aus Neonröhren schwingen und von der Pariser Modemacherin Ligia Dias eingekleidet wurden. Ein Mix aus Bauhaus-Look, russischem Konstruktivismus und Polit-Chic. Leicht esoterisch und als Skulpturen-Ensemble mit Nähe zum Kritischen Realismus ziemlich wagemutig. An der Wand hängt postergroß ein Brief, darin der Satz, dass Objekte nicht Ersatz sein sollten. So hält Perret die Paradoxien im Fluss, unaufdringlich und trotzdem konsequent.

Annelies Strba, bis 8. 4., Mo. bis Fr. 9–17 Uhr, Konrad-Adenauer-Stiftung, Tiergartenstraße 35