Trennt Guido Westerwelle zu wenig zwischen Amt und Privatinteressen?

PRO
STEFAN REINECKE ist Autor der taz

Wenn der Außenminister der Exportnation Deutschland ins Ausland reist, hat er oft eine Wirtschaftsdelegation bei sich. Dass damit eine Grauzone von Lobbyismus und staatlicher Repräsentation entsteht, gehört gewissermaßen zum Geschäft.

Bei Guido Westerwelle ist diese Zone allerdings mehr als grau. In seinem Anhang reisen auffällig viele, die die FDP mit äußerst großzügigen Spenden bedacht haben. Bei einer Asienreise war der Vertreter einer Firma dabei, an der Westerwelles Bruder beteiligt ist. In die Türkei nahm er eine Künstlerin mit, die zufällig auch in der FDP ist. Und Westerwelles Lebenspartner, der sein Geld als Veranstalter verdient und auf gute Kontakte angewiesen ist, fährt auch gern mit dem Minister.

Man weiß nicht, ob ihm diese Reisen bei seinem Job als Eventmanager nützlich waren oder wie sich dieser Nutzen genau messen ließe. Aber ein Außenminister muss über den Verdacht, öffentliche und private Interessen direkt zu vermischen, erhaben sein. Und das ist Guido Westerwelle nicht. Hinter dieser Kritik Schwulenfeindlichkeit zu vermuten ist nicht mehr als eine Schutzbehauptung. Hätte Frank-Walter Steinmeier auffällig viele SPD-Spender und Geschäftsfreunde von Verwandten protegiert und seine Ehefrau lukrative Deals vorbereitet, wäre die Kritik ganz sicher genau so hart ausgefallen.

Vielleicht ist es nur Zufall, dass ein schlechter Beigeschmack vielen Reisen Westerwelles anhaftet. Vielleicht handelt es sich nicht um gewollte Begünstigungen oder unlautere Belohnungen. Vielleicht haben Westerwelles Berater nur nicht so genau nachgedacht. Doch drängt sich der Eindruck auf, dass die FDP die Republik als Selbstbedienungsladen begreift.

Dass die FDP einen unguten Hang zum Klientelismus hat, ist unerfreulich genug und nicht neu. Das wirklich Überraschende an dieser Affäre ist, wie dumm sich Guido Westerwelle anstellt. Anstatt vorsichtig zurückzurudern und den Schaden zu begrenzen, feuert er aus allen Rohren. Man will aber von keinem Außenminister repräsentiert werden, der nur die Abteilung Attacke kann.

CONTRA
JAN FEDDERSEN ist Redakteur für besondere Aufgaben

Guido Westerwelle macht so gut wie alles falsch. Seine Stimme verweist auf seine Not, sich irgendwie Gehör zu verschaffen. Ihm allerdings jetzt vorzuwerfen, dass er auf seine diplomatische Tour durch Lateinamerika seinen Lebensgefährten mitnimmt, hat etwas Spießiges, ja, verkappt Homophobes.

Niemals ist in der bundesdeutschen Geschichte medial erörtert worden, wie sinnvoll die Begleitung der (ja meist) Ehefrau auf politischen Geschäftsreisen ist. Keiner hat sich dafür interessiert, ob Kanzler Schröder seine Gattin mitnimmt oder nicht. Selbst Joachim Sauers Neigung, sich aus den Besuchsprogrammen seiner Frau Angela Merkel herauszuhalten, ist lediglich notiert worden.

Insgeheim hieß es doch auch im Fall von Westerwelles Gefährten: Sähe doch auch komisch aus, machte er ein sogenanntes Damenprogramm mit. Der Außenminister macht aus seinen privaten Lebensumständen kein Thema. Sie sind nur deshalb eines geworden – und das selbst bei liberalen Medien wie Spiegel, SZ oder FAZ –, weil an Westerwelles Seite eben keine Frau steht, sondern ein Mann.

Weil aber kein Kommentator das so offen sagen möchte, wird der Verdacht ersonnen, „Herr Mronz“ (wie Westerwelle seinen Mann in spe öffentlich verklemmt tituliert) habe ökonomische Interessen im Goodwill-Fahrwasser des Außenministers im Sinn. Nichts ist bewiesen, alles nur unterstellt, aber der Verdacht ist gestreut – und plötzlich ist aus dem antihomosexuellen Unbehagen ein Skandälchen für alle gefühlten Fälle geworden.

Der Mann, dem man offenbar die Reise mit dem Lebensgefährten missgönnt, ist tatsächlich nur schwer zu ertragen. Weil er die Verteidigung der Mitreise des Geliebten wie einen typischen lärmend insistierenden Coming-out-Akt inszeniert – und weil Westerwelle einfach nicht cool agiert. Er hätte sagen können: „Mein Mann und ich haben so wenig Zeit miteinander – da nutzen wir doch den Trip nach Uruguay, um mal etwas gemeinsam zu erleben.“ Hat er aber nicht. Ihm das, das Grelle, vorzuwerfen, fällt auf die Kommentatoren zurück, nicht auf den tapsigen Außenminister.