Die Geschichte wird kürzer

ARCHÄOLOGIE Die frühgeschichtliche Abteilung des Focke-Museums wird bremisiert. Statt französischer Funde wird beispielsweise die „Habenhauser Egge“ ins rechte Licht gerückt

Von HENNING BLEYL

Einsam liegt ein Einbaum in der Mitte, sorgfältig in Plastikfolie gewickelt. Ansonsten ist der „Eichenhof“ auf dem Gelände des Focke-Museums ausgeräumt: Bremens Ur- und Frühgeschichte harrt im Magazin auf ihre Neuaufstellung.

Wenn die Exponate im kommenden Frühjahr wiederkommen, ist zweierlei neu: der Eichenhof und die Anordnung der Dinge. Die ehemalige Scheune von Gut Riensberg wird für 500.000 Euro von „Immobilien Bremen“ saniert. Isolierung, Brandschutz, Heizung, Belüftungsanlage – seit der letzten Renovierung vor über 50 Jahren hat sich einiges angestaut. Allerdings kehren gar nicht alle Exponate zurück: Um auch inhaltlich auf die Höhe der Zeit zu kommen, wird derzeit ein neues Konzept zur Präsentation der Frühgeschichte erarbeitet. Klar ist schon jetzt: Sie soll bremischer werden.

Pech also für so manchen Faustkeil aus südfranzösischen Höhlen, der sein Dasein fortan im Depot fristen muss. „Man kann eben nicht alles zeigen“, sagt Landesarchäologin Uta Halle, die gleichzeitig als Leiterin der frühgeschichtlichen Abteilung im Focke fungiert. Eine Bremisierung der archäologischen Präsentation sei schon deshalb erforderlich, um einheimischen Funden eine größere Chance auf Wahrnehmbarkeit zu geben. Zum Beispiel der „Egge von Habenhausen“: Vor zehn Jahren wurde sie ausgegraben und gilt als deutschlandweit einzige Holzegge aus der römischen Kaiserzeit. Entsprechend tourt sie durch die Republik, nur in der hiesigen Dauerausstellung war kein Platz mehr frei. Da sei es doch sinnvoller, meint Halle, die um 1900 in Frankreich erworbenen auswärtigen Sammlungen abzuräumen – via Internet oder jeweils vor Ort könne man sich ja immer noch über die ausländischen Fundstellen informieren.

Die geplante Regionalisierung bedeutet allerdings eine drastische Verkürzung der darstellbaren Geschichtsspanne. Während bislang „350.000 vor Christus“ als am weitesten zurückliegender Bezugspunkt gilt, ist der älteste Fund von der Bremer Domdüne, der Keimzelle der Stadt, kaum 1.500 Jahre alt. Zum Glück gibt es noch Bremen-Nord: Auf dem dortigen Geestrücken kann man sich bis in die Jungsteinzeit herunter graben. „Da gibt es tolle Sachen“, betont Halle: Etwa die Schönebecker Tontöpfe mit Ritzverzierung aus der Zeit um 4.000 vor Christus, die derzeit provisorisch im Haus Mittelsbüren ausgestellt sind.

„Im Prinzip“, sagt Halle, „könnten wir hier auch den klassischen Neandertaler finden“. In der Tat: Seine Beutetiere wie Mammut und Wollnashorn sind schon da. Das Focke verfügt auch über die Hörner eines Urs, geborgen im heimischen Weserkies. Aber auch das ist mit einem Alter von maximal 10.000 Jahren weit von der zeitlichen Tiefe entfernt, auf die man in südlicher gelegenen Gefilden trifft. Bremens allerältestes Relikte aus Menschenhand sind Steinspitzen, die um 9.000 vor Christus datieren.

Andererseits wird die neue frühgeschichtlichen Abteilung Zeiten einbeziehen, die bislang gar nicht vorkamen: Die Jahre zwischen 1933 und 1945. Halle will ein Schlaglicht auf die ideologische Instrumentalisierung der Archäologie im „Dritten Reich“ werfen. Für die damalige Direktion des Focke-Museums waren insbesondere die prähistorischen Urnen mit den Hakenkreuz-Einritzungen, die Mitte der 30er in Manhdorf ausgegraben wurden, eine gern genutzte ideologische Steilvorlage. Auch in der Bremer Baumwollbörse wurden die Urnen im Rahmen der Ausstellung „Lebendige Vorzeit“ ausgiebig gefeiert.