kritik der woche
: „...die schönste Musik, alles neu und fremd...“

An der Milde von Titus – „La Clemenza di Tito“ – zerbrechen die Personen, weil sie keinen Gegenpart haben: das ist die These von Regisseur Anthony Pilavachi in der Inszenierung am Oldenburgischen Staatstheater über den Sinneswandel des einst blutrünstigen römischen Kaisers Titus zu einem Herrscher, der alles, sogar seinem Attentäter Sextus verzeiht. Mit der ambitionierten Premiere von Mozarts letzter Oper wird in Oldenburg ein Mozartzyklus beendet, der mit „Die Entführung aus dem Serail“, „Idomeneo“ und „Die Hochzeit des Figaro“ begann. Im Mai soll der Zyklus zweimal hintereinander laufen: für ein so kleines Haus ein riesiges, grandioses Projekt.

Und damit nicht genug: Da vom 2002 produzierten „Figaro“ die Kulissen verschwunden waren, entschloss sich Regisseur Pilavachi gegen eine reine Wiederaufnahme und für eine Neuinszenierung, die nun unmittelbar nach der Premiere von Titus stattfand.

Erfrischend, dass die Oldenburger nicht – was nahe liegend gewesen wäre – einen Zyklus des Mozart-Texters da Ponte boten oder einen über den frühen Mozart oder einen über die Singspiele – sondern einen Bogen schlugen von Mozarts erster musikdramatischer Großtat „Idomeneo“ (1781) bis zum „Titus“(1791), der wegen seiner ästhetischen Verhaftung in der längst überwundenen opera seria nach Meinung nicht weniger „keine adäquate Mozartoper“ (Ernst Bloch) mehr ist. Gleichwohl hat genau dieses Stück auf bundesdeutschen Bühnen im Augenblick eine Renaissance ohnegleichen.

Pilavachi zeigte mit „Idomeneo“ Spannungen menschlicher, politischer und religiöser Art, er thematisierte die Vernichtung einer glanzvollen trojanischen Kultur. „Die Entführung aus dem Serail“ bot Anlass für eine hochmoderne Beziehungsgeschichte im Vorfeld von „Cosi fan tutte“, und mit „Die Hochzeit des Figaro“ – leider in deutscher Sprache – lässt er einen durchaus ernsten Menschen-Wirrwarr toben von gleichzeitig unglaublicher Situationskomik. Stets hat Tatjana Ivschina ebenso passende wie gefühlvolle Bilder gebaut und Alexander Rumpf aus dem Oldenburger Orchester alles herausgeholt, was möglich war: Das hat ebenso Ecken und Kanten wie bestrickende Lyrik und Klangfarben. Wie sagte doch Mozarts Vater Leopold zur Musik von Idomeneo? „...die schönste Musik, alles neu und fremd...“ Hier können auch die SängerInnen mit teilweise blendenden und keinem großen Haus nachstehenden Leistungen einbezogen werden.

Ute Schalz-Laurenze

Neu auf dem Oldenburger Spielplan: „Titus“ (3., 8., 11., 14. und 29. März; 7. und 21. April.; 7., 14. und 31. Mai und 10.,13.,17., und 22. Juni) und „Die Hochzeit des Figaro“ (9. und 23. März)