„Persönliche Geschichten“

GESCHICHTE Die Kleidung der Norddeutschen aus den letzten 200 Jahren wird im Museum ausgestellt

■ ist Museumsdirektorin des Historischen Museums Bremerhaven.

taz: Frau Benscheidt, was genau verstehen Sie unter norddeutscher Kleidung?

Anja Benscheidt: Unser Sammlungsschwerpunkt liegt auf Kleidung und Textilien aus ganz Norddeutschland. Das Historische Museum Bremerhaven ist ein Regionalmuseum, das heißt, es geht nicht nur um Kleidung aus der Stadt, sondern auch aus dem Umland. Wir präsentieren einen Querschnitt durch 200 Jahre Kleidungsgeschichte. Unser ältestes Stück ist ein Rokoko-Kleid von 1780, das jüngste ein T-Shirt von 2013. Als typisch norddeutsch würde man vor allem spezielle Arbeitskleidung bezeichnen, also beispielsweise Ölzeug eines Hochseefischers oder eine Kapitänsuniform.

Wie haben Sie aus Ihrer umfangreichen Sammlung die ausgestellten Stücke ausgewählt?

Zur Selektion mussten wir ein konkretes Thema für die Ausstellung finden. Darum haben wir uns für das Motto „Enzyklopädie“ entschieden. Von A bis Z ist bei uns zu jedem Buchstaben mindestens ein Kleidungsstück zu finden.

Im Text zur Ausstellung ist die Rede von „geheimen Botschaften“, die Kleidung vermittelt. Was für Geschichten erzählen die Klamotten?

In erster Linie sehr persönliche Geschichten. Soweit es noch möglich war, haben wir intensiv recherchiert, um den Hintergrund der Kleider zu erfahren. Viele wurden aufgrund des Erinnerungswertes über Jahrzehnte in Familien aufbewahrt. Dabei handelt es sich nicht nur um festliche, wertvolle Kleidung – sondern zum Beispiel auch um die Unterwäsche eines Kriegsgefangenen, der diese bei seiner Entlassung aus russischer Gefangenschaft trug. Bei gründlicher Auseinandersetzung mit Farbe und Material kann man viel über die soziale Botschaft eines Kleidungsstückes herausfinden.

Würden Sie sagen, dass es auch heute noch typisch norddeutsche Kleidung gibt?

Je weiter wir zur Gegenwart kommen, desto mehr verwischen die Grenzen. Es lässt sich kaum mehr sagen, was für eine Region typisch ist. Das sieht man auch an unseren jüngsten Sammlungsstücken: Dabei geht es eher um die Darstellung des Größenspektrums von XXS bis XXL. Aber das ist ja ein allgemeines Thema. INTERVIEW: WIEBKE BRENNER

Bis zum 21. Oktober im Historischen Museum Bremerhaven