Schrauben am Optimum

Vom Bob bis zum Schlittschuh: Das Institut für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten in Berlin konstruiert maßgeschneiderte Sportgeräte für deutsche Teilnehmer der Winterspiele

AUS BERLIN CHRISTIAN MEYER

Raketenwerfer, Maschinengewehr oder Tauchvorrichtung – die Autos von James Bond haben mehr Extras als nur Navigationssystem oder Klimaanlage. Damit 007 auf der Straße einen Vorteil gegenüber bösen Verfolgern hat, tüftelt Q, der Chefschrauber des britischen Geheimdienstes, immer neue Spezialvorrichtungen aus. Was dem Topagenten sein Q, ist Bobfahrer André Lange das FES. Das Institut für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten in Berlin-Schöneweide sorgt unter anderem dafür, dass auch die deutschen Bobfahrer in der Eisrinne einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz haben.

Der Viererbob, in dem Lange und seine drei Teamkollegen heute durch die 19 Kurven in Cesana rasen, wurde in dreijähriger Arbeit am FES entwickelt. Es ist eine neue Generation, ein Modell mit Zukunft. „In der Aerodynamik ist uns aufgrund von höheren Rechenleistungen der Computer ein Durchbruch gelungen“, sagt Ralf Gollmick, Leiter der FES-Konstruktionsabteilung. Der Entwicklungsingenieur hat am aktuellen Vierer und Zweier mitgewerkelt: „Mit der jetzigen Entwicklung haben wir ein Fenster aufgetan. Diese Bobgeneration hat viel Potenzial. Die Entwicklung ist noch nicht ausgereizt.“

Das FES fertigt neben Bobs auch Rodel- und Skeletonschlitten, Kanus, Segel- und Ruderboote sowie Räder. Dabei setzt das Institut auf ganzheitliche Betreuung. Die Geräte werden entwickelt und getestet, zusätzlich werden die Athleten individuell betreut. „Die Bobmannschaft war regelmäßig hier“, sagt Gollmick. „Das Grundgerät wurde speziell an die Sportler angepasst.“ Dafür sind auch 3 der rund 50 FES-Mitarbeiter in Turin vor Ort. Sie haben eher eine beratende Funktion, bei Bedarf können sie aber Einstellungen am Bob optimieren.

Im Gegensatz zu Spielsportarten wie Fußball oder Handball hat bei den meisten olympischen Wintersportdisziplinen das Sportgerät einen entscheidenden Einfluss auf den sportlichen Erfolg. Mit einem schlechten Bob kann auch der beste Fahrer nicht gewinnen. Das FES hat das Ziel, den Spitzensportlern die perfekten Geräte zu liefern.

Kommerzielle Sportartikelhersteller könnten so eine Arbeit kaum leisten. „Geringe Stückzahlen im absoluten Spitzenbereich sind für die nicht profitabel“, sagt Gollmick. Wie könnte man auch Bobs in Großserie kostendeckend herstellen?

Das FES baut keine Massenprodukte, sondern entwickelt in einem wirtschaftlich unprofitablen Bereich, um Bobfahrer, Rennrodler & Co. wettbewerbsfähig zu halten. Die geringen Stückzahlen führen dabei zu beträchtlichen Werten. Allein ein Satz hochwertiger Bobkufen hat mit 30.000 Euro den Marktwert eines neuen Mittelklasseautos. „Der exklusive Zugriff auf Spitzenmaterial für unsere Athleten ist nur durch uns sichergestellt. Es geht dabei ums Detail“, sagt Gollmick.

Den Etat des FES von rund 3 Millionen Euro finanziert ein Trägerverein aus zwölf Sportverbänden. Damit kommt das Geld indirekt über Zuschüsse vom Bundesinnenministerium. Zum Vergleich: Das Konkurrenzunternehmen Japan Institut of Sports Sciences, das etwa genauso viele Mitarbeiter hat wie das FES, verfügte 2005 über einen Etat von 22 Millionen Euro. Auch in China und Australien wird viel Geld in ähnliche Einrichtungen gepumpt.

Von den neusten Tüfteleien des FES will anscheinend auch die Konkurrenz profitieren. Ein paarmal pro Jahr kommt es laut Gollmick zu Hackerangriffen. „Es gibt natürlich Versuche. Das ist nicht anders als in jeder anderen Entwicklungsabteilung.“ Zum Schutz vor den Spionen benutzt das Institut dasselbe Datenschutzsystem wie das Bundesinnenministerium.

Wenn Langer und seine Anschieber heute um Gold fahren, werden die FES-Mitarbeiter gespannt vor den Fernsehern mitfiebern. Eine nette Abwechslung, denn während die Athleten in Turin um Medaillen gekämpft haben, haben die FES-Konstrukteure weiter an den Bobs getüftelt – für die nächsten Winterspiele in Vancouver.