Euro-Visionär mit großem Ego

Als „Mister Euro“ war er der Liebling der Medien, seine Flapsigkeit, seine „Ehrlichkeit“ machten Jean-Claude Juncker schnell zu einem europäischen Star. In seinem Heimatland ist die Bilanz von 18 Jahren Juncker’scher Herrschaft differenzierter.

Unter den sonst eher drögen EU-Politikern war Juncker ein erfrischender Exot, der sich nicht scheute, den Machthabern der großen Nachbarländer die Leviten zu lesen, wenn es um die europäische Idee ging.

Blitzschnell erklomm er in seiner luxemburger Heimat die Karriereleiter: 1984 wurde er 28-jährig Abgeordneter, 1989 Arbeits- und Finanzminister, 1995 erstmals Premierminister. Seitdem wurde er stets als Premier wiedergewählt und war von 2005 bis 2013 eben „Mr Euro“.

Seinen rasanten Aufstieg verdankte er auch seiner Partei: Die Christlich-Soziale Volkspartei (CSV) regiert in Luxemburg seit dem Zweiten Weltkrieg fast ununterbrochen. Der Begriff „CSV-Staat“ ist für jeden Luxemburger Synonym des konservativen Machtapparats – der stets im Gleichklang mit Kirche, Großherzog und der mächtigen klerikalen Presse regierte. Juncker gehört dem sozialen und progressiven Flügel der CSV an. Er fürchtete sich nicht davor, den Einfluss der Kirche auf die Gesellschaftspolitik zurückzudrängen und seine Partei für die Moderne flott zu machen. So wurde er zum Garanten für Luxemburgs Stabilität und Wachstum. Soziale Probleme seines Landes – wie die wachsende Arbeitslosigkeit – schienen ihn weniger zu tangieren.

Dass ihm dabei der Sinn für die Realität abhanden kam, wie es die jüngste Geheimdienstaffäre bewiesen hat, ist ein offenes Geheimnis. „Bokassa, der schwarze Großdiktator“, nennt ihn die Luxemburger Satirezeitschrift Feierkrop. Am Ende strauchelte Juncker nicht nur über eine Geheimdienstaffäre, sondern vor allem über sein eigenes Ego.

LUC CAREGARI