Schlecht für das Herz

ECHTE FRAUEN Am Wochenende zeigt ZDFneo die erste Staffel der großartigen US-Erfolgsserie „Girls“. Doch leider ist die deutsche Synchronisation so misslungen, dass jeglicher Wortwitz verloren geht

Unverständlich ist, warum das ZDF dieses Juwel nicht ins Hauptprogramm nimmt, um so seine Zielgruppe zu erweitern

VON ENRICO IPPOLITO

Eine Explosion. Eine Epiphanie. Eine Erleuchtung. 2012 war das Jahr dieser Serie. Jeder sprach, jeder schrieb über sie, und jeder schaute sie: „Girls“, diese HBO-Serie, die unglaublich nah am Realen ist. Die von vier jungen Frauen erzählt, die eben nicht in der „Sex and the City“-Glamourwelt leben, sondern versuchen, sich selbst zu finden.

„Girls“ wurde von Lena Dunham geschrieben. Die 27-Jährige ist verhasst, wird zugleich verehrt und ist bereits als Wunderkind der Indieszene verschrien, die jetzt nach dem Erfolg der Serie natürlich nicht mehr Underground ist. Dunham ist für ihren subtilen Humor, ihre krude Darstellungsweise und ihre Körperinszenierung bekannt.

Scham beim Zuschauer

Sie spielt in „Girls“ die Hauptfigur Hannah. Es ist ihre Serie. Sie schreibt, spielt und führt Regie. Ähnlich wie Dunham selbst, will auch ihre Figur Hannah schreiben, Autorin sein, ist aber stattdessen Praktikantin. Sie will eine ernste Beziehung, fickt aber mit einem Idioten. Sie will wahre Freundinnen, ist aber zu narzisstisch dafür. Sie will Freiheit, ärgert sich aber darüber, dass ihre Eltern ihr kein Geld mehr geben. Hannah ist also nicht gerade eine Sympathieträgerin. Und genau deswegen funktioniert „Girls“. Wegen der Brüche, der Gegensätze, des Rauen. Die Protagonistinnen dürfen Fehler machen, und wir dürfen ihnen dabei zuschauen, ohne uns permanent identifizieren zu müssen. Dabei sind vor allem die Sexszenen unangenehm, sie erfüllen nicht den Zweck der Erregung und sind keineswegs erotisch. Nein, sie erwecken beim Betrachten Scham. Und das macht den Erfolg aus.

Am Wochenende zeigt ZDFneo nun endlich die erste Staffel „Girls“ im Free-TV. Die zehn Episoden werden an einem Wochenende ausgestrahlt, währenddessen endete die zweite Staffel gerade in Amerika. Und wieso die deutsche Erstausstrahlung so lange auf sich warten lassen musste, ist nicht klar. An der Synchronisation kann es nicht liegen, denn die ist nur mäßig gelungen.

Das liegt aber auch daran, dass wir mittlerweile gewöhnt sind, Serien wie „Girls“ im Original anzuschauen. Auch unverständlich ist, warum das ZDF dieses Juwel nicht ins Hauptprogramm nimmt und gerade so versucht, seine Zielgruppe zu erweitern. Stattdessen scheint die Devise zu sein: Alles, was halbwegs jung ist, muss in den Spartenkanal – dafür ist er ja da.

Die Figuren wirken alt

Ob „Girls“ nun in Deutschland erfolgreich sein wird wie in Amerika, ist fraglich. Einerseits, weil schon die meisten Zuschauer „Girls“ im Original gesehen haben. Und andererseits, weil die deutsche Synchronisation immer im Weg steht. Die Figuren wirken fremd, es sind nicht die bekannten. Die Gesichter sind gleich, doch die Stimmen nicht. Vor allem Hannahs Sprecherin lässt die Hauptfigur alt wirken. Jeglicher Wortwitz geht verloren. Sätze wie: „Ich denke möglicherweise, dass ich die Stimme einer Generation bin. Oder wenigstens eine Stimme irgendeiner Generation“, wirken in der Synchronisation albern, willkürlich, falsch. Hannah ist in der Serie Anfang 20, hört sich aber an, als ob sie 45 Jahre alt wäre.

Das ist erstaunlich, da „Girls“ so hoch gelobt worden ist und eine bessere Synchronisation gutgetan hätte. Bei „Sex and the City“ hat es schließlich auch geklappt. Aber wahrscheinlich sind auch Sätze wie: „Schluss machen ist schlecht fürs Herz, gut für die Wirtschaft“, leichter zu übersetzen als: „Alle bösen Dinge, die jemand denkt über mich zu sagen, habe ich mir selbst schon gesagt, wahrscheinlich schon in der letzten halben Stunde.“