Spreeufer für alle?

Fünf Jahre nach dem erfolgreichen Bürgerentscheid: Die Bebauung am Spreeufer geht weiter, die Proteste dagegen auch – am Samstag mit einer Demo entlang der Brennpunkte

Demonstration: Es ist unser Bürgerentscheid – es ist unser Berlin!

Wann? Samstag, 13. Juli

Start: um 13 Uhr, Stralauer Platz am Ostbahnhof

www.ms-versenken.org

Der Mercedes-Stern über Friedrichshain-Kreuzberg ist ein Sinnbild für die Situation am Spreeufer. Seit einem Monat dreht sich das überdimensionierte Firmenzeichen auf dem Dach des neugebauten Mercedes-Benz-Gebäudes an der Mühlenstraße. Einige Meter weiter, die East Side Gallery runter, rufen am kommenden Samstag mehrere Gruppen und Initiativen zu einer Demonstration gegen die weitere Bebauung des Spreeufers zwischen Elsenbrücke und Jannowitzbrücke auf. Der Abschnitt entlang der Spree verändert sich, doch längst nicht jeder ist damit einverstanden. Um jeden einzelnen Quadratmeter wird hart gekämpft. Im März erst demonstrierten tausende Menschen für den Erhalt der East Side Gallery. „Die Berlinerinnen und Berliner wollen ein Spreeufer für alle“, sagt Robert Muschinski von der Initiative „Mediaspree versenken!“.

Anlass für die Demonstration am Samstag ist der fünfte Jahrestag des Bürgerentscheids zur Zukunft der Spreeufer. Damals stimmten 87 Prozent der BewohnerInnen des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg gegen die Errichtung weiterer Hochhäuser über der Berliner Traufhöhe von 22 Metern, für einen 50 Meter breiten unbebauten Uferstreifen und gegen eine weitere Autobrücke über den Fluss. Eine klare Absage für die damaligen Pläne, die nach Wunsch der InvestorInnen-Gruppe „Mediaspree“ genau dies vorgesehen hatten.

Dem erfolgreichen Bürgerentscheid zum Trotz gehen die Bauprojekte entlang des Spreeufers stetig weiter. Zuletzt hat Mercedes Benz sein 54 Meter großes Hochhaus fertiggestellt, an der East Side Gallery entsteht auf dem Uferstreifen zurzeit der Wohnturm „Living Levels“, zwei weitere Häuser mit einer Höhe von 100 Metern will das Immobilien-Unternehmen „Agromex“ an der Elsenbrücke errichten. Bei dem Projekt kommt Agromex zugute, dass der Bürgerentscheid keine Gültigkeit für das Grundstück besitzt, weil es zum Bezirk Treptow-Köpenick gehört. Erst kürzlich wurden die Pläne für die Bebauung an der Cuvrystraße in Kreuzberg vorgestellt, 250 neue Wohnungen sollen hier entstehen, das Ufer soll nach Plänen des Investors frei bleiben. Auch die Zukunft des alternativen Strandclubs Yaam ist wieder ungewiss.

Die Initiative „Mediaspree versenken“ ist mit der Entwicklung nicht zufrieden. „Alles ist schlimmer geworden, der Senat geht über Leichen“, empört sich Robert Muschinski. Die Interessen der AnwohnerInnen würden „mit Füßen getreten“. Doch was tun, damit die Forderungen endlich umgesetzt werden? Die Politik müsse es richten, sagt der Aktivist. Doch dafür wäre ein wirklicher Paradigmenwechsel in der Stadtentwicklungspolitik von Nöten. Statt nur auf das Geld zu schauen, sollten soziale, ökologische, geschichtliche und kulturelle Aspekte in den Vordergrund gestellt werden.

Um diesen Paradigmenwechsel zu erreichen, beteiligt sich die Initiative unter anderem am Stadtforum 2030, einer Initiative der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Bis Anfang 2014 soll hier ein neues Stadtentwicklungskonzept ausgearbeitet werden. Auf der Agenda steht auch die Frage, welche Weichen die Politik stellen muss, um Berlin zu einer zukunftsfähigen Metropole zu machen.

Neben den Bauprojekten, die von den Spree-AktivistInnen kritisch gesehen werden, gibt es aber auch positive Entwicklungen am Spreeufer. Lichtblicke bisher sind, dass am Ostbahnhof ein geplantes Hochhaus gekippt werden konnte und dass die Holzmarkt-Genossenschaft den Zuschlag für ihr Bauprojekt auf dem ehemaligen Gelände der Bar25 bekam. Neben einem öffentlichen Park will der Verein dort unter anderem 400 Wohnungen für Studierende, Ateliers und eine Kita bauen.

„Die Berlinerinnen und Berliner wollen ein Spreeufer für alle“

ROBERT MUSCHINSKI

Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) zieht ein weit weniger negatives Fazit als die AktivistInnen. Durch Verhandlungen konnte man die InvestorInnen dazu bewegen, auf einige Hochhausbauten zu verzichten, die Baudichte zu reduzieren, eine Mischnutzung zuzulassen und die Uferwege zu verbreitern. Ohne den Druck, der durch den Bürgerentscheid und das Engagement der Initiative „Mediaspree versenken“ erzeugt wurde, wäre dieser Erfolg so nicht möglich gewesen. Allerdings räumt Schulz ein, dass mehr möglich gewesen wäre, wenn die damalige Haltung des Senats und der Stadtentwicklungssenatorin nicht so ausgeprägt investorenfreundlich gewesen wäre. Für die weitere Auseinandersetzungen bräuchten die AktivistInnen einen starken Partner. „Das kann Politik sein, wenn sie sich nicht hinter abstrakten und bürokratischen Interessenabwägungen versteckt“, sagt Schulz.

Auch die AktivistInnen wollen nach wie vor auf den Dialog mit der Politik setzen. Dennoch sagt Spree-Aktivist Robert Muschinski: „Die Stimmung ist aufgeheizt, es müssen endlich deutliche Signale aus der Politik kommen“. LUKAS DUBRO