neues aus neuseeland: krach im karnevalsverein von ANKE RICHTER
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Das Deutschtum pflegen kostet Kraft durch Freude. Dafür brauche ich Karla, samt eingewanderter Lebensgefährtin. „Partnerin“ heißt das korrekt umgedeutscht, obwohl es dann weniger nach Bioladen klingt, wo die Freundin arbeitet, sondern nach Beate Uhse, aber egal.

Karla bringt mir manchmal Gummibärchen oder Leberwurst vorbei. Wir stammen beide aus der Peripherie Bergisch Gladbachs, rheinisch-korrekt „Bääjischlabbah“. Nächste Großstadt ist Köln. Prägendes Kindheitserlebnis: der Karneval. Ausgerechnet in unserer Nähe hat sich der erste deutsche Karnevalsverein Neuseelands formiert. Eine Prunksitzung war in Planung, dafür „ist die deutsche Sprache und der rheinisch-kölsche Dialekt vorgeschrieben“, heißt es im Vereinsbulletin, für das keine korrekte Grammatik vorgeschrieben ist. „In puncto kulinarische Genüsse“ gäbe es einen „fortwährend erhältlichen Imbiss“. Die Nachfrage unter Kiwis sei „gewaltig“ für „diese spezifische Darbietung wahrer Lebensfreude und Ausgelassenheit“.

Ich jubiliere. Ewig schon wollten wir den deutschen Stammtisch mit seinem schwarzrotgoldenen Wimpel im „Carlton Pub“ unterwandern. Jetzt winkt die Chance, uns gezielt ins Herz des heimatlichen Brauchtums einzuschleusen und undercover „Alaaf!“ zu brüllen. Think big, think Funkemariechen.

Das Problem mit dem Kostümzwang löst Karla spielend, da sie Dreadlocks trägt. Neben überkämmten Glatzen wirkt das irre jeck. Ich recherchiere. „Bitte vereinbaren Sie einen Termin mit dem Sitzungspräsidenten, Herrn Jürgen Schubach. Mit freundlichem Gruß, Festkomitee Rheinischer Karneval“, schreibt man mir zurück. Lebensfreude und Ausgelassenheit schlägt mir auch am Telefon entgegen. Die geplante Sitzung hat nie stattgefunden. „Ich habe den Verein nach BGB wieder aufgelöst“, sagt Herr Schubach trocken. Er ist „internationaler Rechtsanwalt“, früher war er bei der AOK in Köln. Da wurde an Weiberfastnacht in der Schalterhalle geschunkelt. Er kennt sich also aus. „Ich musste den ganzen Vorstand, wenn man das mal so salopp sagen darf, hochkant rausschmeißen. Sieben Leute. Damit konnte ich nicht arbeiten.“

Was war da los, Herr Schubach? Hatte der Verein nicht ein Männerballett in Arbeit, das „den Saal zum Kochen“ bringen sollte? Und ein „hochdekorierter Karnevalist und ehemaliges Mitglied des Traditionskorps Blauer Funken“, der „als so genannter Literat“ die Stimmung „maßgeblich beeinflussen sollte“? Der Anwalt seufzt auf. Es habe Streit gegeben. „Ich habe zu meiner Frau gesagt, ‚da muss man halt mal über Leichen gehen‘.“ Die Überlebenden würden jedoch zum Auftakt der nächsten Session einen „Mega-Event“ auf die Beine stellen. Die „Woolston Brass Band“ aus Christchurch würde „aus-schließ-lich aus dem Kölner Notenbuch ‚Alaaf‘“ spielen, diktiert Schubach.

Jetzt muss ich nur noch Karla überzeugen. Beim letzten Rosenmontagszug flog ihr in der Lesben-Ecke eine Flasche „Kleiner Feigling“ ins Gesicht. Die Platzwunde wurde von einer als Krankenschwester verkleideten Tunte behandelt, die im Barbie-Arztköfferchen nur Tempos und Kondome hatte. Die Narbe ist noch immer zu sehen. Ein Fall für einen internationalen Anwalt.