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: Der Dopingjäger auf der Pirsch

Bloß die Nennung seines Namens treibt so manchem Sportler in Italien schneller den Schweiß auf die Stirn als das anstrengendste Training: Raffaele Guariniello. Der Turiner Staatsanwalt firmiert im ganzen Land schlicht als der „Dopingjäger“. Auch jetzt ist er wieder auf Dopingjagd, stellt er den österreichischen Biathlon- und Langlaufsportlern nach.

Ein Dopingjäger, der im Lauf der letzten zehn Jahre die Konfrontation auch mit den Mächtigsten im Sport nicht scheute. Er war es, der 1995 ein Verfahren gegen den Shootingstar der Rennradler, Marco Pantani, einleitete. Guariniello war aufgefallen, dass Pantani viel zu hohe Hämatokrit-Werte im Blut hatte. Am Aufstieg des Radlers änderte das zunächst nichts – 2000 aber wurde Pantani wegen „Sportbetrugs“ zu drei Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Im Februar 2004 beging er nach weiteren Dopingaffären Selbstmord.

In ein wahres Wespennest stach Guariniello dann 1998. Als Trainer Zedenk Zeman in einem Interview weit verbreitete Doping-Praktiken im Fußball angeklagt hatte, lud Guariniello ihn sofort vor, um danach ausführlich zu ermitteln. Erst brachte er die Vereinsspitze des AC Turin auf die Anklagebank und erreichte die Verurteilung des Geschäftsführers, dann nahm er sich jenen Verein vor, dem er selbst seit Jahrzehnten treuer Fan ist: Juventus Turin. Im Prozess mussten Zinedine Zidane und alle anderen Stars als Zeugen über Pillen und Spritzen aussagen. In erster Instanz erhielt der Vereinsarzt 22 Monate Haft, die zweite Instanz sprach ihn im Dezember frei; jetzt ist das Verfahren beim Kassationsgericht.

Meist beschäftigt sich Guariniello, von dem nicht einmal seine Mitarbeiter wissen, wann er Geburtstag hat, gar nicht mit spektakulären Dopingprozessen, sondern mit den Sünden der Unternehmen. Sein erstes wichtiges Verfahren ging gegen Fiat: 1971 fand der junge Staatsanwalt heraus, dass die Firma eine einem Geheimdienst würdige Kartei über ihre Mitarbeiter führte, inklusive geheimer Informationen der Polizei.

Später dann zog es Guariniello zu Fragen der Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz. In den Verfahren ging es um Asbest in der Fabrik, Dioxinhühner, explodierende Mixer von Moulinex oder Mehlasthma in Bäckereien. Aber er strengte auch Ermittlungen zur Sicherheit des Gebäudes an, in dem er tätig ist: der Staatsanwaltschaft Turin. Ob überführte Täter am Ende in den Knast wandern, ist für ihn aber zweitrangig: „In 30 Jahren Dienst habe ich so gut wie nie jemanden verhaften lassen“, erklärte er einmal, „mir geht es eher darum, die Verbrechen unmöglich zu machen, als die Personen zu bestrafen.“

MICHAEL BRAUN

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