Der Musterknabe von Springe

Der Job von Oliver Knöbel, 43, besteht darin, die Jahrtausende alte Darstellungsform der Travestie im Fernsehen unterzubringen. Knöbel verkleidet sich als Frau, nennt sich Olivia Jones und geht ins „Dschungelcamp“, wo er mit anderen, weniger robusten Frauen Regenwürmer frisst. Oder er geht zu „Wetten dass ...?“, wo die Travestie integriert wird, um zu zeigen, wie locker wir alle sind.

Nun hat in Knöbels Heimatstadt Springe bei Hannover eine Bürgerin im „Anregungs- und Beschwerdeausschuss“ vorgeschlagen, Knöbel zum Ehrenbürger der Stadt zu machen. Zwar ging er schon Anfang der 1990er- Jahre nach Hamburg, wo er mittlerweile drei Bars betreibt und erfolgreich Kiez-Touren anbietet. Aber durch Knöbel geriet die 30.000-Einwohner-Stadt Springe während des Dschungelcamp-Hypes in den Fokus von Gala und Spiegel Online.

Mit 15 habe er angefangen, im „Transen-Fummel“ zur Schule zu gehen, sagte Knöbel Spiegel Online. Die Hannoversche Allgemeine Zeitung (HAZ) dagegen grub den Deutsch- und Sportlehrer Hans-Otto Janus aus, der sagte, Knöbel sei ein sehr ruhiger, guter und gut erzogener Schüler gewesen. Eine Kunstlehrerin aus Völensen sagte, sie könne sich beim besten Willen nicht an Knöbel erinnern: Es sei nicht auszuschließen, dass Knöbel völlig unscheinbar auf der Schulbank saß.

Knöbel wäre der erste Springer Ehrenbürger nach Sanitätsrat Heinrich Seebohm, dem der Titel vor 81 Jahren verliehen wurde. Ob das passiert, wird Ende August im Ortsrat diskutiert. Falls der dafür ist, geht die Debatte im Verwaltungsausschuss weiter. Das letzte Wort hat dann der Rat der Stadt am 24. Oktober.

Bis dahin dürfen alle viel Spaß mit der Idee haben. „Wäre ich dann eigentlich Ehrenbürger oder Ehrenbürgerin?“, lässt Knöbel über die HAZ fragen, deren Phantasie durch die Geschichte in Wallung gerät: „Wahrscheinlich läuft ‚Me and Mrs. Jones‘ anstelle des Springe-Lieds in der Warteschleife der Stadtverwaltung“, heißt es in einem lustig gemeinten Kommentar.  KLI