„Vorsorgliche Tötung“, „blinder Aktionismus“

22 neue H5N1-Fälle auf Rügen – Vorpommern tötet Nutztiere. Neue Fälle auch in Ungarn, der Slowakei und Kroatien

BERLIN taz/dpa ■ Schleswig-Holstein schwelgt im Glück. Man weiß es zu schätzen, bei der Vogelgrippe „nicht die ersten Betroffenen zu sein“. Landwirtschaftsminister Christian von Boetticher (CDU) erkärte gestern, für den eigenen Notfallplan „aus den Fehlern in Mecklenburg-Vorpommern lernen zu können“.

Boettichers Kollege in Schwerin muss dagegen derzeit eindeutig weniger prosaische Auskünfte geben. „Bislang sind 2.865 Tiere aus den Geflügelbeständen der Insel Rügen getötet worden“, erklärte Till Backhaus (SPD) gestern. „Vorsorglich“, wie Mecklenburgs Landwirtschaftsminister sagte. Tierschützer kritisierten diese vorsorgliche Tötung: Sie sei blinder Aktionismus. „Es gibt keinen vernünftigen Grund für Massenschlachtung. Weder liegt eine akute Infizierung bei Nutztieren vor, noch gibt es neue Gefahren für den Menschen“, sagte Tierschutzpräsident Wolfgang Apel.

22 tote Vögel wurden gestern positiv auf das H5N1-Virus getestet: 13 Sing- , 4 Höckerschwäne, 3 Kanadagänse, ein Mäusebussard und ein nicht identifizierter Schwan. Damit stehen jetzt 101 Fälle in der Vogelgrippe-Statistik der Insel Rügen. Die meisten wurden im Bereich der Wittower Fähre aufgefunden, wo auch die ersten H5N1-Fälle registriert worden waren.

Das Testlabor des Friedrich-Loeffler-Instituts will jetzt aber seine Untersuchungen auf Festland-Funde aus den Kreisen Ost- und Nordvorpommern konzentrieren. „Dass das Virus auf Rügen ist, wissen wir. Es kommt jetzt darauf an, zu untersuchen, wo es das Festland erreicht hat und wie es sich dort ausbreitet“, sagte der stellvertretende Institutsleiter Timm Harder. In den beiden Landkreisen waren am Sonntagabend die ersten zwei H5N1-Fälle außerhalb Rügens bestätigt worden.

Wie erwartet breitet sich H5N1 weiter aus: An der kroatischen Adriaküste wurde er genauso neu bestätigt wie in Ungarn, Bosnien, der Slowakei und Malaysia. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation mutiert das Virus – es wird widerstandsfähiger und gefährlicher für Tiere. Dennoch gebe es noch keinen Hinweis, dass sich das Virus so verändert habe, dass eine direkte Übertragung von Mensch zu Mensch zu befürchten sei. RENI