Spitzenmann der Korruption

Wahrscheinlich wäre Liu Zhijun als Held in die chinesischen Geschichtsbücher eingegangen. Auf den ehemaligen Eisenbahnminister geht zurück, dass China in weniger als einem Jahrzehnt über das weltweit längste und modernste Netz für Hochgeschwindigkeitszüge verfügt. Die vor Kurzem noch 22-stündige Bahnfahrt von Peking nach Schanghai hat sich auf fünf Stunden verkürzt, in die boomende Südprovinz Guangdong sind es nur noch sechs. Und selbst das fast 4.000 Kilometer entfernte Urumqi soll schon bald mit dem Hochgeschwindigkeitszug erreichbar sein.

Doch am Montag hat ein Volksgericht in Peking den 60-Jährigen zu einer Todesstrafe auf Bewährung verurteilt. Die Richter befanden ihn für schuldig, zwischen 2003 und 2011 Schmiergelder in Höhe von umgerechnet insgesamt 8 Millionen Euro angenommen zu haben. Nun wird er wohl als einer der korruptesten Staatsbeamten in die Annalen eingehen.

Dabei hatte der Sohn einer armen Bauernfamilie eine Musterkarriere. Schon mit 19 heuerte er als Angestellter bei der chinesischen Bahn an. Nach wenigen Jahren verwaltete er die Streckennetze einer Reihe von Großregionen, 1986 war er bereits Vizeminister des schon damals mächtigen Eisenbahnministeriums. Die nun bekannt gewordene lange Liste von Korruptionsfällen und Amtsmissbrauch reicht bis in diese Zeit zurück.

Als mächtiger Parteikader und Eisenbahnminister hat er es nicht einmal für nötig befunden, sich besonders ausgefuchst bestechen zu lassen. Beim Bau des milliardenteuren Hochgeschwindigkeitsnetzes etwa vergab er die lukrativen Aufträge ganz einfach an die Firmen, die ihm am meisten Geld oder Geschenke zusagten.

Lius Verurteilung ist kein Einzelfall, sondern Teil der Kampagne des neuen Staats- und Parteichefs Xi Jinping gegen die Korruption. Liu ist der bislang ranghöchste Täter. Auf Mitleid der Bevölkerung kann er kaum hoffen. Viele geben ihm die Schuld für das Zugunglück 2011 in der Stadt Wenzhou mit fast 200 Toten.

Sein Todesurteil ist zur Bewährung ausgesetzt; bei guter Führung wird seine Strafe nach zwei Jahren in lebenslange Haft umgewandelt. FELIX LEE