Koalition streitet über Datenbrief

VERBRAUCHER Sollen Firmen Kundendaten offenlegen? Bloß nicht, sagt der schwarz-gelbe Wirtschaftsflügel

„Für die Betriebe entsteht dadurch ein beträchtlicher Mehraufwand“

Joachim Pfeiffer, CDU

BERLIN taz | Bis vor kurzem war der Datenbrief kaum mehr als eine kuriose Forderung des Chaos Computer Clubs. Originell, sympathisch, aber mit wenig Chance auf Realisierung. Doch in den vergangenen Tagen haben gleich vier Ministerinnen und Minister der schwarz-gelben Bundesregierung Unterstützung für das Vorhaben signalisiert. Sollte die Idee Wirklichkeit werden, könnte jeder Bürger einmal im Jahr per Brief oder E-Mail einen Auszug bekommen, auf dem steht, welche Daten Behörden und Unternehmen über ihn oder sie gespeichert haben.

Bisher haben Bürger nur gegenüber Behörden einen Auskunftsanspruch. Allerdings erfahren sie auch nur auf Nachfrage, was über sie gespeichert ist. Am Wochenbeginn hatte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) angekündigt, Vertreter der Netz-Community, des Datenschutzes und der Wirtschaft einzuladen, um ein Konzept für einen Datenbrief zu erarbeiten. Daraufhin hatten unter anderem das Justizministerium und das Verbraucherschutzministerium die Idee unterstützt.

Doch jetzt kommt Widerstand vom Wirtschaftsflügel der schwarz-gelben Koalition. Joachim Pfeiffer, wirtschaftspolitischer Sprecher der Unionsfraktion, warnte davor, ein „bürokratisches Monstrum“ zu schaffen. „Für die Betriebe entsteht dadurch ein beträchtlicher Mehraufwand, der auch mit erheblichen Kosten verbunden ist“, sagte er der taz. Denkbar sei daher eher, dass die Bürger „nur bei einem begründeten Anlass ihre Daten von den Unternehmen einfordern können“. Was genau das bedeutet, ließ er offen.

Aufgeschlossener, aber dennoch skeptisch ist Hermann Otto Solms, Vorsitzender des Arbeitskreises Wirtschaft und Finanzen der FDP-Bundestagsfraktion. Er findet zwar, dass die Auskunftsmöglichkeiten der Bürger ausgeweitet werden müssen. „Jeder Bürger muss unbürokratisch erfahren können, welche seiner personenbezogenen Daten gespeichert werden“, sagte er der taz. „Jedoch gilt es, intensiv zu prüfen, ob ein jährlich zu verschickender Brief hier das Mittel der Wahl ist.“

Thilo Weichert, Datenschutzbeauftragter von Schleswig-Holstein, findet die Grundidee des Datenbriefs hingegen „sehr gut“. Denn vor allem dort, wo Daten ohne das Wissen der Betroffenen gespeichert würden, sei mehr Transparenz nötig: Bei Auskunfteien, Detekteien oder Adresshändlern. Aber jedes Jahr von jeder Behörde und jeder Firma, die Daten der Bürger speichere, einen Auszug zugeschickt zu bekommen, hält selbst Weichert für übertrieben. „Das wäre ein Beschäftigungsprogramm für die Post.“ WOLF SCHMIDT