Freizeit für den König

DRESDEN Der Prozess gegen den Jugendpfarrer Lothar König ist vorerst geplatzt. Grund sind Videos, die König entlasten – und erst jetzt zu den Akten kamen

„Anklage und Videos sind nicht in Übereinstimmung zu bringen“

RICHTER ULRICH STEIN

AUS DRESDEN MICHAEL BARTSCH

Das Amtsgericht Dresden hat am Dienstag den Prozess gegen den Jenaer Stadtjugendpfarrer Lothar König für unbestimmte Zeit ausgesetzt. Damit ist der Prozess vorerst geplatzt. Wie es weitergeht, ist völlig offen.

König wird aufwieglerischer Landfriedensbruch bei den Dresdner Anti-Nazi-Demonstrationen am 19. Februar 2011 vorgeworfen. Er bestreitet die Vorwürfe. Nachdem Königs Rechtsanwalt Johannes Eisenberg wiederholt auf entlastendes Beweismaterial gestoßen war, das in den Prozessakten nicht erfasst ist, erhielt er am 26. Juni rund 200 Stunden polizeilicher Videoaufzeichnungen. Für deren Auswertung erbat er Zeit. Diesem Antrag gab der Vorsitzende Richter Ulrich Stein nun statt.

Die Verteidigung war erst durch die Aussage eines Polizisten auf die Festplatte mit dem umfangreichen Bildmaterial aufmerksam geworden. Schon eine erste Stichprobe entlastete Pfarrer König dabei. So hatte bei einer der Demonstrationen in Dresden eine weibliche Stimme zur Bildung von Menschenketten gegen Polizisten aufgerufen. König ist über seinen Lautsprecherwagen lediglich mit der Warnung zu vernehmen, dass es „da hinten“ eine Auseinandersetzung gebe, bei der die Polizei Schlagstöcke einsetze. „Da müssen wir mal ein bisschen aufpassen“, fügte er hinzu.

Sein Anwalt vermutet, dass sich weitere Entlastungsbelege in den Aufzeichnungen entdecken lassen und beklagt, die Polizei habe für die Anklage selektiv recherchiert. „Dieses Vorgehen ist nicht mehr allein mit Schlamperei und schlechtem Handwerk zu erklären“, sagte Eisenberg. Gegen einen Polizisten hat er inzwischen Anzeige wegen Verfolgung Unschuldiger gestellt.

Auch Staatsanwältin Ute Schmerler-Kreuzer räumte ein, dass das ihr unbekannte und von ihr nicht angeforderte Material Entlastungsbeweise enthalten könne. Sie stimmte der Aussetzung der Hauptverhandlung zu.

Rein Formal ist der Prozess zwar noch nicht geplatzt. Richter Stein äußerte jedoch bereits, die Anklage und das Videomaterial seien „nicht in Übereinstimmung zu bringen“. Eine Gerichtssprecherin bestätigte, dass nun die Anklageschrift modifiziert oder teilweise zurückgenommen werden könne.

Königs zweite Verteidigerin, Lea Voigt, sagte der taz, sie werde nun die Einstellung des Verfahrens beantragen. Bei einer Wiederaufnahme nach monatelanger Sichtungszeit für die Videos müsste die Beweisaufnahme erneut vom Punkt null starten. Wie und ob der Prozess nun weitergeführt werden kann, ist damit völlig offen.

Lothar König selbst zeigte sich wegen des anhaltenden Schwebezustandes nur teils erleichtert. Er habe aber die Energie, die Sache durchzustehen. Tags zuvor hatte er in Gegenwart kirchlicher Unterstützergruppen seine Unlust bekundet, in dem Verfahren weiter kämpfen und gewinnen zu müssen. Er wolle sich lieber wieder ganz seiner Aufgabe widmen, Leute wachzurufen und „dieses Leben zu verstehen“.

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