der zehnte tag
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Die Gerüchteküche brodelt. Alle Filme sind gelaufen. Wer wird den Goldenen Bären bekommen? Wird es tatsächlich „Road To Guantanamo“ sein? Kann die Jury überhaupt anders, jetzt, wo Roger Willemsen die erschütternde Wahrheit über das Lager enthüllt hat? Wo von taz bis FAZ die Schließung gefordert wird? Und auch Klaus Wowereit, der alte Globalisierungskritiker, sich dies gut vorstellen kann? Kann man an so viel Einigkeit vorbei? Oder wird es „Elementarteilchen“ sein? Wo doch die Darstellung des sexuellen Elends der 68er-Kinder auch ein Thema ist, dessen Relevanz nach kultureller Aufwertung ruft? Oder wird es doch Valeska Grisebach und „Sehnsucht“? Was für ein Kino möchte die Jury? Ein moralisches, ein politisches, ein kinematographisches? Ein großes oder ein kleines? Quo vadis, Berlinale?

Einer wird keinen Bären bekommen, ungerechterweise selbstverständlich, aber er wird es verschmerzen können, da er Gagen bekommt, aus denen Chantal Akerman dreißig ihrer sturzlangweiligen Kunstschmockfilme à la „Là-bas“ finanzieren könnte. Macht Vin Diesel aber glücklicherweise nicht. Dafür spielt er aber die Hauptrolle in „Find Me Guilty“, einem der wenigen Filme, bei denen sich das Publikum köstlich amüsierte, um dann aber in einem akuten Anfall von Kritikerdasein sofort nach Ende festzustellen, dass er doch ein wenig zu seicht gewesen sei. Wie sagte der Regisseur Sidney Lumet bei der Pressekonferenz: „Find Me Guilty“ sei kein Festivalfilm, er sei nicht langweilig genug.

Vin Diesel sieht übrigens aus wie der kleine Bruder des Sängers der Fitness-Studioband Right Said Fred, und er steht stellvertretend für die Form von Anti-Glamour, die Teile dieser Redaktion bevorzugen. Kampf dem Glamour!, können wir da nur sagen, vor allem Kampf diesem ewigen Suchen nach und Beharren auf Glamour, wenn sich einer wie George Clooney oder eine wie Sigourney Weaver mal blicken lässt.

Immer wieder taucht dieses inzwischen so ungute, längst im Orkus der Neunzigerjahre begraben geglaubte Wörtchen „Glamour“ im Zusammenhang mit jedweder Berlinale-Berichterstattung auf, und niemand weiß eigentlich genau, was damit bezeichnet wird – nur glamourös, das wollen auf der Berlinale alle sein, nicht posemuckelig und wowereitig, und glamourös sind alle dann, wenn die Glamourboys und Glamourgirls aus Hollywood am Potsdamer Platz ihre Visitenkarte abgeben. Als läge im Glamour die Essenz des Lebens, als sei Glamour die letzte Wahrheit vor der Apokalypse, und als könnten all die graumäusigen, graugesichtigen Berlinale-Freaks ihre Berlinale-Tristesse gar nicht anders ertragen. RAP, GBA