Viele Sprechblasen, keine Taten

RUHE Das US-Spähprogramm zielt direkt auf die EU, doch die EU-Kommission reagiert verhalten. Dabei könnte Brüssel handeln

Barroso strebt angeblich einen Posten in der Nato an und ist deshalb auf Schmusekurs mit den USA

BRÜSSEL taz | War was? Die EU zieht in der US-Abhöraffäre den Kopf ein. Obwohl die EU-Kommission und der Ministerrat von der NSA angezapft worden sein sollen, halten sie sich bedeckt. Der Rat gab am Montag gar keine Stellungnahme ab, die Kommission äußerte diplomatische Sprechblasen.

Man habe die „verstörenden Nachrichten“ gehört, sagte Pia Ahrenkilde, Sprecherin von Kommissionschef José Manuel Barroso. Doch bisher handle es sich nur um „Behauptungen“, die „geprüft“ werden müssten. Vorsorglich werden die EU-Gebäude auf Wanzen untersucht, doch das sei Routine. Da die EU so schnell wie möglich „Klarheit und Transparenz“ erlangen wolle, habe man die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton beauftragt, mit den USA zu reden.

Wenn es dabei bleibt, können sich die Amerikaner beruhigt zurücklehnen. Ashton ist für ihre Nähe zu den USA und ihre schwache Verhandlungsführung bekannt. In einem Statement hatte Ashton erklärt, dass sie nichts zu erklären habe – man habe die Amerikaner gebeten, die Fakten zu checken. Damit macht die EU den Bock zum Gärtner. Dabei weiß jeder in Brüssel, dass die USA ihre europäischen Freunde ausspionieren – schon seit 2001, als die Echelon-Affäre ans Licht kam. Schon damals führte die NSA die Feder, schon damals ging das EU-Parlament auf die Barrikaden. Geschehen ist seitdem wenig – dabei hätte die EU Druckmittel.

Der beste Hebel wäre das geplante Freihandelsabkommen mit den USA. Die Verhandlungen sollen im Juli beginnen. Vor allem Kanzlerin Angela Merkel hat sich für die Gespräche starkgemacht. Da die USA ihre Lauschattacken wohl auch für Wirtschaftsspionage nutzen, fordert sogar der CSU-Mittelstand Konsequenzen. Die EU könnte die Verhandlungen aussetzen, bis der Abhörskandal beigelegt ist.

Am empfindlichsten treffen könnte die EU die USA mit der Aussetzung bestehender Überwachungsprogramme. Dazu zählt die Übermittlung von Flugpassagierdaten und von Bankdaten. Der grüne Innenexperte Jan Philipp Albrecht forderte die Aussetzung des Safe-Harbour-Abkommens, das es in der EU tätigen US-Unternehmen erlaubt, Daten von EU-Bürgern in den USA zu verarbeiten.

Denkbar wäre auch Edward Snowden in Europa aufzunehmen, forderte gestern Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin. Das war allerdings, bevor Präsident Putin Snowden Asyl angeboten hat. Außerdem wird diskutiert, einen Untersuchungsausschuss im EU-Parlament einzusetzen. Allerdings hat das Parlament nicht viel Macht, ein Ende der Spähaktion könnte es kaum erzwingen. Vielleicht auch deshalb sprach sich dafür der deutsche Wirtschaftsminister Rösler aus.

Kommissionschef Barroso geht selbst das noch zu weit. Er zog sich den Ärger vieler Europaabgeordneter zu, die Taten sehen wollen. Barroso habe sich seit dem Irakkrieg – den er an der Seite der USA unterstütze – nicht verändert, schimpfen seine Kritiker. Er sei immer noch ein unverbesserlicher Atlantiker. In Brüssel macht zudem das Gerücht die Runde, Barroso strebe nach dem Ende seiner Amtszeit 2014 einen Posten in der Nato an – auch deshalb sei er auf Schmusekurs mit Washington.

ERIC BONSE