Föderalismus: SPD-Experten bremsen

Bundeskanzlerin Angela Merkel möchte sich möglichst schnell mit einer Föderalismusreform schmücken. Doch einige Sozialdemokraten wehren sich noch gegen die geplanten Kompetenzverluste des Bundes in der Bildungs- und Umweltpolitik

AUS BERLIN LUKAS WALLRAFF

Die Erwartungen sind hoch, wenn sich heute Nachmittag die Spitzen der Berliner Koalition mit mehreren Ministerpräsidenten treffen. Die Föderalismusreform soll unter Dach und Fach gebracht werden, jedenfalls in den Grundzügen. Insbesondere für Angela Merkel wäre es ein immenser Prestigegewinn, wenn die geplante Neuordnung im Verhältnis von Bund und Ländern möglichst schnell gelingt.

Die Kanzlerin könnte stolz verkünden: Seht her, die von mir geführte große Koalition ist zu großen Taten in der Lage! Doch noch streiten Bund und Länder. Klar ist bisher nur, dass die Zustimmungspflichtigkeit im Bundesrat bei vielen Gesetzen wegfallen soll. Unklar ist, wie eigenständig die Länder bei der Umsetzung der Gesetze vorgehen dürfen. Der Bund will ein „Abweichungsrecht“ nur bei neuen Gesetzen zulassen. Die Provinzfürsten aber wünschen sich mehr Freiheit in Verwaltungsfragen – auch bei alten Gesetzen.

Aber auch zwischen den Koalitionspartnern in Berlin zeigen sich noch deutliche Unterschiede, was Inhalt und Tempo der Reform betrifft. Die Union hat, ganz im Sinne Merkels, den Druck erhöht. Es gehe um „die Mutter aller weiteren Reformen“, erklärte CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer, alle seien „zum Erfolg verurteilt“. CDU-Fraktionsgeschäftsführer Norbert Röttgen kündigte an, schon bei dem heutigen Gipfeltreffen werde es „eine Einigung geben“. Und am 10. März solle das Reformpaket in Bundestag und Bundesrat eingebracht werden. Das Kalkül ist offensichtlich: Wer jetzt noch Änderungen verlangt, den stellt die Union ganz schnell in die Blockierer-Ecke.

Auf breite Kritik stößt bisher vor allem die Vereinbarung im Koalitionsvertrag, wonach der Bund alle Kompetenzen im Bildungsbereich an die Länder abtreten soll. Einige Fachpolitiker wehren sich deshalb gegen eine Einigung um jeden Preis. „Qualität geht vor Beschleunigung“, sagte der SPD-Bildungsexperte Jörg Tauss gestern der taz. „Die Reform muss nicht vor dem Sommer fertig sein.“ Tauss möchte eine „Öffnungsklausel“ durchsetzen, die dem Bund wenigstens noch ein paar Gestaltungsmöglichkeiten einräumt. Nach den bisherigen Plänen sollen selbst freiwillige Finanzhilfen des Bundes, wie beim Ganztagsschulprogramm, unmöglich werden. Solch ein striktes Einmischungsverbot für die Zentralregierung gebe es „in keinem föderalen System der Welt“, so Tauss.

Auch SPD-Umweltpolitiker halten die bisherigen Pläne für falsch, weil sie zu einem „Kompetenzwirrwarr“ führten. Bei der Genehmigung von Industrieanlagen sowie im Natur- und Hochwasserschutz müsse es „bundeseinheitliche Regelungen“ geben, sagte SPD-Fraktionsvize Ulrich Kelber der taz. „Ich bin mir sicher, dass die Vernunft siegt.“

Auf die eigene Koalitionsführung setzen die SPD-Kritiker dabei offenbar kaum noch. Sie erinnern vielmehr daran, dass für die Föderalismusreform auch im Bundesrat eine Zweidrittelmehrheit nötig ist. „Der FDP kommt eine entscheidende Rolle zu“, erklärte Tauss vielsagend.