Eine harte Nuss, die biologisch und fair geknackt wird

Auf der indonesischen Insel Flores produzieren die Einheimischen Cashewnüsse. Der ökologische Anbau, kombiniert mit fairem Handel, hat zwei Folgen: feinste Nussaromen für Genießer und ein gutes Auskommen für die Hersteller. Das Projekt hat sich noch weitere Ziele gesteckt

VON MONIKA KOVACSICS

Im Reich der tausend Inseln, auf dem indonesischen Eiland Flores, wächst eine tropische Vielfalt, die sinnlicher nicht sein könnte. Pfeffer, Muskat und Vanille verströmen ihre Düfte, Kokos, Kakao, Kaffee und hierzulande völlig unbekannte Früchte, wie zum Beispiel die stachlige Jackfruit, gedeihen im tropischen Klima wie sonst nirgendwo. In den Küstenregionen, an den Hängen der Vulkanberge wachsen Cashewbäume, deren Nüsse zu den besten der Welt gehören. Sie sind größer als alle anderen Cashewsorten, feiner im Aroma und gedeihen im tropischen Klima von Flores am besten. Wenn man auf der Nationalstraße Transflores über die Insel fährt, könnte sich der natürliche Reichtum praller und lustvoller nicht präsentieren.

Ein halber US-Dollar pro Tag muss reichen

Aber trotz dieses Reichtums gehört die Insel zur ärmsten Region Indonesiens und erreicht gerade mal ein Drittel des durchschnittlichen indonesischen Bruttosozialprodukts. Die Inselbewohner müssen mit einem Durchschnittseinkommen von einem halben US-Dollar pro Tag ihre Existenz fristen. Genau dieser krasse Gegensatz war es, der den 36-jährigen Manager Johannes Schwegler nicht mehr zur Ruhe kommen ließ, nachdem er im Jahre 2003 zum ersten Mal nach Flores gekommen war: „Wie können diese Menschen den Reichtum ihrer Insel für sich nutzen und teilhaben am Wohlstand anderer Regionen der Welt?“ Auf der Suche nach einer Lösung war Johannes Schwegler von den Cashewnüssen besonders angetan. Als Mitarbeiter der Schweizer Nichtregierungsorganisation Swisscontact, einer Stiftung der Schweizer Wirtschaft für Entwicklungshilfe, startete er ein Projekt, das ganz auf diesen edlen Nüssen gründet. Weil es sich bei den Cashewnüssen von Flores um die qualitativ besten der Welt handelt, verfolgte Johannes Schwegler die Idee, diese Nüsse als Premiumprodukt in europäische Supermarktregale zu bringen.

Aber dieses Ziel sollte nur unter einer Bedingung erreicht werden: Die Wertschöpfung sollte denen zugute kommen, die von Anbau, Ernte und Verarbeitung leben. Nur wenn die Bevölkerung einen direkten Nutzen davon hat, sollte die hochwertige Cashewnuss weltweit vermarktet werden. Mit dem Swisscontact-Projekt ist das nach nur knapp zwei Jahren und zwei Cashewnuss-Ernten gelungen.

Ökolandbau zwischen Tsunamis und Vulkanen

In Ilepadung zum Beispiel, einem kleinen Dorf im Osten von Flores, wo die Bewohner mit regelmäßigen Vulkanausbrüchen und Tsunamiwellen leben müssen. Seit die Landwirte ihre Nüsse an das CashewConsultingCentre (CCC) liefern, erhalten sie für ihre organisch angebauten Nüsse einen 30 Prozent höheren Preis als vormals von fliegenden Händlern.

Mittlerweile haben sich die Landwirte zu einer Kooperative zusammengeschlossen. Sie verzichten auf Pestizide und chemische Düngemittel und verwenden nach traditioneller Methode nur Blätter und Gras als organische Dünger. Das internationale Zertifikat für Bioprodukte aus der Dritten Welt, das sie mithilfe von Swisscontact geschafft haben, erfüllt die Landwirte mit Stolz und Selbstbewusstsein. Im Rahmen des Projekts haben sie ihre Bionüsse für den Weltmarkt qualifiziert. Obendrein erlebt das ganze Dorf einen wirtschaftlichen Aufschwung. Inzwischen gibt es vier Farmerkooperativen mit insgesamt 560 Familien, die vom Cashewanbau leben.

Verarbeitet werden die Nüsse im CashewConsultingCentre in der Provinzstadt Ende. Das zweistöckige Gebäude mit Hallen und Büros ist bislang das Herzstück des Cashewprojekts. Hier werden die Cashewnüsse gelagert, einzeln von Hand geknackt und versandfertig gemacht. In dem properen Betrieb haben über zwanzig Indonesier einen attraktiven Arbeitsplatz gefunden. Nach einer gründlichen Schulung sorgen sie für die aufwändige Verarbeitung der Cashewnuss. Aus vier Tonnen Rohnüssen entsteht eine Tonne verzehrfertige Nüsse. Mit einer speziellen Knackmaschine muss die Nuss von ihrer harten Schale so befreit werden, dass sie unbeschädigt und – vom aggressiven Öl der Schale unverschmutzt – weiterverarbeitet werden kann. Hier liegt der Knackpunkt: Anders als in anderen Cashws produzierenden Ländern wie Indien oder Brasilien werden die Nüsse nicht über 200 Grad erhitzt, um die Schale leichter entfernen zu können. Auf Flores werden die Nüsse kalt geknackt. In aufwändiger Handarbeit öffnen geschulte Arbeitskräfte jede einzelne Nuss mit einem speziellen Messer.

Keine leichte Arbeit, denn der weiße Nusskern soll makellos und unbeschädigt bleiben. Vorsichtig wird er aus der angeknackten Schale mit einem spitzen Werkzeug herausgepult und das graue Häutchen sorgfältig abgeschält. Danach präsentiert sich die weiße Cashewnuss makellos, frisch und zum Anbeißen gut. Aber nun wird sie in speziellen Öfen bei 45 Grad schonend getrocknet, um den richtigen Feuchtigkeitsgrad und damit die richtige Knackigkeit zu erhalten. Vakuumverpackt ist die Cashewnuss von Flores schließlich gerüstet für die Verschickung bis zur anderen Seite des Globus.

Im Cashewcenter werden inzwischen über 200 Tonnen Biorohnüsse von einheimischen Arbeitskräften und Fachleuten verarbeitet, die Swisscontact ausgebildet hat.

Dem Initiator Johannes Schwegler ist das nicht genug. Das Projekt läuft längst ohne ihn und immer mehr mit einheimischen Fachleuten. Auch das ist ein Ziel des Swisscontact-Projekts: Es soll von den Initiatoren zwar angestoßen werden, dann aber mit der einheimischen Bevölkerung selbstständig florieren. Und Schwegler geht in seinen Zielen noch weiter: Langfristig sollen sämtliche Nüsse von Flores direkt in den Dörfern vor Ort geknackt und verarbeitet werden; dort, wo sie auch geerntet wurden. So kämen die Landwirte selbst in den Genuss der gesamten Wertschöpfungskette.

Das Ziel: weltweiter Vertrieb übers Internet

Das Cashewcenter in Ende würde dann als Beratungsort für die Landwirte fungieren. Jeder Cashew-Landwirt soll dann letztendlich in der Lage sein, über das Internet seine Nüsse direkt auf dem Weltmarkt anzubieten. Das klingt zunächst wie eine Utopie, doch viele Schritte auf dem Weg dahin sind bereits gemacht.

Bereits heute funktioniert die gesamte Wertschöpfungskette von der Ernte über die Zertifizierung bis zum Knacken und zur Vermarktung der Cashewnüsse und kommt der Bevölkerung der Insel zugute. Was in Flores erzeugt wird, ist mehr als ein Bioprodukt für Gourmets in einer Marktnische. Die Inselbewohner bauen auf das zunehmende Interesse an ökologisch produzierten Lebens- und Genussmitteln in Premiumqualität. „Fair“ gehandelt, bescheren die Cashewnüsse dem Genießer feinste Aromen und den Produzenten ein gutes Auskommen.