Zarte Anfänge mit großem Potenzial

In China wächst das Interesse an Bioprodukten. Die Regierung leistet dabei Nachhilfe. Noch sind Produktion und Konsum sehr übersichtlich. Doch die BioFach wird mit einem Auftritt vor Ort im Dezember die Lage sondieren

China ist ein Land der Widersprüche, und das betrifft auch seine jahrtausendealte Landwirtschaft. In mancher Hinsicht scheint die Zeit still gestanden zu haben: Bauern bearbeiten noch immer in mühevoller Handarbeit winzige, von Dämmen aus Erde eingefasste Felder. Sie schleppen Wasser in Eimern aus dem nächsten Fluss herbei. Es gibt wenig Technik, aber viel Chemie: Achtlos auf die Felder geworfene Plastikverpackungen zeugen von Kunstdünger und Pestiziden. Da den meisten Bauern nur Flächen von weniger als einem halben Hektar zur Verfügung stehen, müssen sie versuchen, darauf möglichst hohe Erträge zu erzielen.

Dennoch tut sich etwas bei chinesischen Erzeugern und Verbrauchern. Die Veranstalter sehen in China ein großes Potenzial sowohl für den Anbau als auch für die Vermarktung biologischer Produkte. „China hat in den letzten zehn Jahren eine interessante Ökoindustrie entwickelt“, meint Udo Censkowsky, der im Auftrag der Nürnberg Global Fairs am Aufbau einer Messe in China beteiligt ist. Dort gibt es momentan etwa 2.000 Unternehmen, die ein Biozertifikat auf ihre Produkte drucken dürfen. Die Erzeugnisse umfassen Sonnenblumenöl, Sojaprodukte, grünen und weißen Tee, Walnüsse, Kastanien und wild gesammelte Pflanzen wie Pilze. Chinesisches Gemüse aus Ökolandbau wird zurzeit hauptsächlich nach Japan exportiert.

Seit vergangenem Jahr vergeben nicht nur internationale Zertifizierer, sondern auch chinesische Behörden ein eigenes Biosiegel, das weitestgehend den Standards des EU-Siegels entspricht. Außerdem gibt es eine Kennzeichnung für Produkte aus Umstellungsbetrieben.

Wenn der derzeitige Trend fortschreitet, werden sich die Ökoproduzenten bald auch mehr auf den einheimischen Markt konzentrieren, denn das Interesse der Verbraucher an gesunder Ernährung wächst. Udo Censkowsky schätzt die chinesischen Verbraucher als traditionell sehr gesundheitsbewusst ein. Zudem würden sie nach einer Vielzahl von Lebensmittelskandalen immer mehr auf Qualität achten. Auf dem Land und in kleineren Städten sucht man ausgewiesene Bioprodukte aber noch vergeblich. Die ersten Anbieter von ökologisch angebautem Obst und Gemüse waren große internationale Supermarktketten in Städten wie Peking, Schanghai und Nanjing. Inzwischen haben aber auch einige Bioläden eröffnet. „In Nanjing sind das ganz kleine Zimmer von etwa 30 Quadratmetern“, so Censkowsky.

Wenn sie vielleicht in ihrer Größe und begrenzten Produktpalette mit den ersten Bioläden in Deutschland vergleichbar sind, der Weg könnte unterschiedlicher kaum sein. Eine Ökobewegung von unten gibt es nicht, Anbau und Konsum von Bioprodukten wird von der staatlichen Konsumentenorganisation gefördert. Landwirtschafts- und Umweltministerium schulen Bauern im ökologischen Landbau.

Auch die Veranstalter – in einer öffentlich privaten Partnerschaft mit der Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG) – bilden chinesische Erzeuger und Verkäufer aus. Besonderer Stellenwert wird in diesem Projekt darauf gelegt, Erzeugerinitiativen und Bioläden direkt zu vernetzen, sodass nicht Zwischenhändler, sondern Bauern direkt von den höheren Ladenpreisen gegenüber konventionellen Produkten profitieren können. Im Dezember 2006 soll schließlich die erste BioFach in China stattfinden, die allerdings noch mehr Konferenz- als Ausstellungscharakter haben wird.

Bis sich ein Biostandard auf dem chinesischen Massenmarkt etabliert, werden noch Jahre vergehen. Zurzeit sind Bioprodukte nur für Besserverdienende erschwinglich. Ökologisch erzeugte Lebensmittel sind mehr als doppelt so teuer wie konventionelle. Das liegt daran, dass noch viele der Waren importiert werden. Wer zum Beispiel den „Ostore“, den ersten Biosupermarkt in Schanghai, besucht, findet in den Regalen deutsche Marken – zu entsprechenden Preisen, versteht sich. Der Laden lebt vor allem von in Schanghai lebenden Ausländern, chinesische Kundschaft verläuft sich selten dorthin.

Ob China eine Kehrtwende zur grünen Revolution Anfang der 70er-Jahre begeht, wird sich zeigen. Damals konnte durch den Einsatz von Hochertragsreissorten das Hungerproblem gelöst werden, verbunden allerdings mit einem massiven Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln, die heute Böden und Trinkwasser belasten. Doch nicht nur ein umweltfreundlicher Anbau wird diskutiert. Auch die so genannte Grüne Gentechnik hält Einzug in China. Noch für dieses Jahr steht eine Entscheidung über den Anbau transgener Reissorten an.JUTTA BLUME