Der Fluss des Geldes

PRIORITÄTEN Begehrlichkeiten gibt es viele, aber nicht für alles ist Geld da. Der neue Haushaltsentwurf des Senats zeigt, was den Regierenden von Rot-Schwarz wichtig ist – und was nicht

Erst 2015 will das Land wieder Schulden zurückzahlen – aber nur 68 Millionen Euro. Angesichts des Gesamtschuldenstandes von mehr als 61 Milliarden Euro ist das nicht mal ein Tropfen auf den heißen Stein

VON SEBASTIAN HEISER

So ziemlich jedes Thema, über das in der taz.berlin berichtet wird, hat mit dem Landeshaushalt zu tun. Egal ob es um Mietsteigerungen geht, Fahrradwege, Müll in Parks, Flüsterasphalt gegen Autolärm, Streiks von Lehrern, ein bedrohtes Theater, Chaos der S-Bahn, Prävention gegen Jugendgewalt – immer fordert jemand: Dafür muss der Senat mehr Geld bereitstellen!

Politische Absichtserklärungen kann der Senat unbegrenzt viele abgeben. Aber er kann jeden Euro nur einmal ausgeben. Der Fluss des Geldes im Haushalt zeigt daher, wo die Prioritäten in dieser Stadt wirklich liegen, jenseits der Sonntagsreden.

Am Dienstag hat der Senat den Entwurf für den neuen Landeshaushalt beschlossen, der jetzt ins Abgeordnetenhaus geht. Die Einnahmen sollen steigen, die Ausgaben an vielen Stellen sinken. So will der Senat nicht nur die Zensuslücke füllen, sondern auch Spielräume bekommen, um bei einigen Schwerpunkten sogar mehr Geld auszugeben – etwa bei der Bildung. Dies sind die wichtigsten Veränderungen:

Personalabbau: Der Senat will in den nächsten dreieinhalb Jahren gut 4.000 Vollzeitstellen im öffentlichen Dienst streichen und so rund 200 Millionen Euro pro Jahr sparen. 1.200 Stellen sollen bei den Bezirken wegfallen, 2.300 bei den Senatsverwaltungen und nachgeordneten Behörden. Außerdem wird der Stellenpool, in den nicht mehr benötigte Mitarbeiter versetzt worden waren, weiter abgebaut. Zum Ende des Jahres 2016 sollen in Berlin nur noch 100.000 Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst arbeiten. Eine Behörde kann beim Senat beantragen, auch zwei Jahre länger Zeit für den Stellenabbau zu bekommen. Das gehe aber nur in „besonders begründeten Ausnahmefällen“, erläutert Jens Metzger, Pressesprecher von Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos). In welchen Behörden konkret gespart wird, möchte Metzger noch nicht verraten: „Darüber wird der Senat zunächst das Abgeordnetenhaus unterrichten.“ Die Mitarbeiter werden nicht entlassen, stattdessen nutzt der Senat üblicherweise die natürliche Fluktuation.

Lohnerhöhungen: Trotz des Stellenabbaus werden die Kosten für das Personal weitersteigen: Bis 2017 im Vergleich zum letzten Jahr um eine Milliarde Euro auf dann 7,8 Milliarden Euro. Das hat zwei Gründe: Erstens erhalten die verbliebenen Mitarbeiter höhere Löhne. Die Bezüge für die 68.000 Beamten steigen zum 1. August nächsten und übernächsten Jahres jeweils um 2,5 Prozent. Und es ist zu erwarten, dass auch die Angestellten im öffentlichen Dienst bei den Tarifverhandlungen Entsprechendes fordern werden. Zweitens werden bis Ende 2018 rund 25.000 Beschäftigte in Ruhestand gehen. Jeder pensionierte Beamte kostet Berlin doppelt: Das Land zahlt ihm sein Ruhegehalt und muss einen neuen Beamten einstellen, der seine Arbeit übernimmt. Um die Personalkosten, die ein Drittel des Haushaltes ausmachen, zu begrenzen, hat Berlin bereits 32.000 Vollzeitstellen abgebaut.

Steuereinnahmen: Im nächsten Jahr sollen 406 Millionen Euro mehr Steuern in die Landeskassen fließen. Der Senat will dazu einerseits eine Citytax für Touristen einführen. Andererseits hofft er, dass alles expandieren wird: Dienstleistung und Tourismus, Wohnungsbau und Industrie. 2013 soll die Wirtschaft in Berlin um 1,4 Prozent wachsen, 2014 um weitere 2 Prozent. So soll auch über die Steuern, die unverändert bleiben, mehr Geld reinkommen. Weil mehr Menschen Arbeit haben, sollen die Einnahmen aus der Lohn- und Einkommensteuer zum Beispiel im nächsten Jahr um 143 Millionen Euro höher ausfallen.

Haus- und Wohnungskäufer müssen bisher 5 Prozent Grunderwerbsteuer auf den Kaufpreis zahlen. Der Senat will den Steuersatz auf 6 Prozent erhöhen. Das soll jährlich 100 Millionen zusätzlich einbringen. Im Gegenzug prüft der Senat, ob er die Maklergebühr für Hauskäufer begrenzen kann. Die liegt in Berlin üblicherweise bei 7 Prozent des Kaufpreises und damit im Vergleich zu anderen Städten ungewöhnlich hoch. Wenn die Maklergebühr per Gesetz auf 6 Prozent begrenzt wird, dann würden Hauskäufer unter dem Strich genauso viel zahlen wie jetzt – es würde jedoch mehr im Landeshaushalt landen und weniger in den Taschen der Makler. Es ist aber ungewiss, ob das Land überhaupt die entsprechende Gesetzgebungskompetenz hat, das soll jetzt Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) prüfen.

Länderfinanzausgleich: Berlin erwartet, dass die anderen Bundesländer in den nächsten Jahren noch großzügiger Geld überweisen als bisher schon. Für dieses Jahr sind 3,38 Milliarden Euro eingeplant, für das nächste Jahr sind es 110 Millionen Euro mehr und für 2015 sogar 171 Millionen Euro mehr. Auch der Bund soll mehr geben. Nicht 1,08 Milliarden wie in diesem Jahr, sondern 41 Millionen Euro mehr im nächsten Jahr und 88 Millionen mehr im übernächsten Jahr.

Begrüßungsgeld: Studenten sollen 100 statt 50 Euro erhalten, wenn sie hier ihren Erstwohnsitz anmelden. Berlin profitiert davon, weil die Zuschüsse über den Länderfinanzausgleich auch von der Zahl der Einwohner abhängen. Im Jahr 2002 hatte der rot-rote Senat erstmals beschlossen, Begrüßungsgeld zu zahlen – damals bereits in Höhe von 100 Euro. Im Jahr 2010 beantragten es rund 14.000 Studierende, die Kosten für den Haushalt lagen bei 1,4 Millionen Euro. Durch den Finanzausgleich flossen daraufhin 48 Millionen Euro zusätzlich in den Landeshaushalt. Im vorigen Jahr kürzte die Koalition im Parlament das Begrüßungsgeld von 100 auf 50 Euro. Jetzt soll es wiederansteigen.

Bildung: In den Kitas werden mehr Plätze geschaffen, um den Rechtsanspruch auf Tagesbetreuung für Kinder ab dem ersten Geburtstag zu erfüllen. Für 26 Millionen Euro kauft der Senat zudem mobile Containerklassenzimmer. Er reagiert damit darauf, dass in einigen Kiezen die Schülerzahl besonders hoch steigt – und zwar schneller, als neue Schulgebäude gebaut werden können. Auch die Hochschulen erhalten Jahr für Jahr mehr Geld – 2017 110 Millionen Euro mehr als jetzt.

BerlinArbeit: Beim dem Vorzeigeprogramm von Dilek Kolat (SPD), Senatorin für Arbeit, Frauen und Integration, wird gekürzt. Kolat wollte mit dem Programm erstens die Arbeitslosenquote bei Jugendlichen bis zum Ende der Legislaturperiode von 13 Prozent auf unter 10 Prozent senken. Zweitens wollte sie existenzsichernde Entlohnung, gleiche Entlohnung für gleiche Arbeit sowie gesunde und diskriminierungsfreie Arbeitsbedingungen schaffen. Drittens ging es um die Qualifizierung von Arbeitslosen, um Berlin zu einem Standort mit einem guten Angebot an Fachkräften weiterzuentwickeln. Und schließlich wollte sie die Zusammenarbeit der verschiedenen Behörden und Initiativen verbessern. Doch im nächsten Jahr werden für diese Ziele 20 Millionen Euro weniger eingeplant als in diesem Jahr.

Berlin erwartet, dass die anderen Bundesländer in den nächsten Jahren noch großzügiger Geld überweisen als bisher schon

Internationale Bauausstellung: Das Projekt im Jahr 2020 sollte 60 Millionen Euro kosten – und ist jetzt ersatzlos gestrichen. Senatsbaudirektorin Regula Lüscher hatte die Ausstellung geplant, um neue Bau- und Siedlungsformen auszuloten. Unter dem Motto „Drinnenstadt wird Draußenstadt“ sollten dabei die Potenziale gerade des Stadtrands erkundet werden. Es wäre nach 1957 und 1987 die dritte Internationale Bauausstellung in Berlin gewesen. Die Pläne für eine 270 Millionen Euro teure neue Zentral- und Landesbibliothek auf dem Tempelhofer Feld werden dagegen noch nicht beerdigt. Das Gebäude, für das sich der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) einsetzt, soll den bisherigen Bau auf der Museumsinsel, die Amerika-Gedenkbibliothek in Kreuzberg und ein Magazingebäude am Westhafen ersetzen. Im Doppelhaushalt 2014/15 sind Planungskosten von 6,5 Millionen Euro vorgesehen, die eigentlichen Baukosten fallen erst später an.

Wohnungsbau: 320 Millionen Euro fließen in einen Wohnungsbaufonds bei der Investitionsbank. Private und öffentliche Bauherren können das Geld nutzen, wenn sie hinterher mindestens ein Drittel der Wohnungen zu günstigen Mietpreisen anbieten. So soll der Bau von 29.500 Wohnungen gefördert werden. Durch das zusätzliche Angebot auf dem Wohnungsmarkt sollen die Mietpreise sinken – oder zumindest nicht mehr so stark steigen wie in den letzten Jahren.

Neuverschuldung: Trotz der optimistischen Prognosen des Senats bei den Steuereinnahmen plant er, das Jahr 2014 mit einem Minus abzuschließen. 154 Millionen Euro neue Schulden soll das Land im nächsten Jahr aufnehmen. Erst 2015 will das Land wieder Schulden zurückzahlen – aber nur 68 Millionen Euro. Angesichts des Gesamtschuldenstandes von mehr als 61 Milliarden Euro ist das nicht mal ein Tropfen auf den heißen Stein. Wenn Berlin in diesem Tempo weitertilgen würde, wäre die Stadt erst in 911 Jahren und vier Monaten schuldenfrei.

Zinsausgaben: Der Senat will für seinen Schuldenberg weniger Zinsen zahlen. In diesem Jahr sind dafür noch 2,3 Milliarden Euro eingeplant, im nächsten Jahr nur noch 2,1 Milliarden.

Landesgesellschaften: Die Berliner Stadtgüter, das IT-Dienstleistungszentrum und die Investitionsbank sollen in den nächsten beiden Jahren 50 Millionen Euro mehr ausschütten. Dazu sollen sie ihren Gewinn erhöhen beziehungsweise ihr Kapital herabsetzen.