Auf der Waage

EU Außenminister der EU bedenken Verhandlungen über EU-Beitritt der Türkei

AUS ISTANBUL JÜRGEN GOTTSCHLICH

Die Türkei steht heute neben Syrien auf der Agenda der EU-Außenminister. Bei ihrem Treffen in Luxemburg beraten sie, ob die für diese Woche geplanten Beitrittsverhandlungen der EU mit der Türkei fortgesetzt werden. Vor allem die deutsche Regierung hatte in den vergangenen Tagen Bedenken gegen weitere Konsultationen über einen Beitritt geäußert. Kanzlerin Angela Merkel hatte die Polizeieinsätze gegen Demonstranten in der Türkei als „überhart“ kritisiert.

Ende vergangener Woche gab es deshalb einen diplomatischen Eklat. Der türkische EU-Minister Egemen Bagis hatte Kanzlerin Merkel vorgeworfen, sie spiele aus innenpolitischen Erwägungen mit dem türkischen EU-Beitritt. Bagis drohte der Kanzlerin mit Konsequenzen, was dazu führte, dass zunächst Berlin den türkischen Botschafter zum Rapport bestellte und dann die türkische Regierung den deutschen Botschafter antreten ließ, um ihr Missfallen auszudrücken.

Am Samstag kam es dann am Rande eines Treffens der „Freunde Syriens“ in Doha schon zu einer längeren Aussprache zwischen dem deutschen Außenminister Guido Westerwelle und seinem türkischen Kollegen Ahmet Davutoglu. Dieses Gespräch sei „sehr konstruktiv“ gewesen, sagte Westerwelle anschließend der ARD. Trotzdem seien die Probleme noch nicht ausgeräumt. Anders als Merkel ist Westerwelle ja tatsächlich an Beitrittsgesprächen mit der Türkei interessiert und hat in der vergangenen Woche auch mehrfach die Anliegen der Demonstranten unterstützt. Doch die letzte Entscheidung wird nicht von ihm, sondern von Kanzlerin Merkel gefällt. Am morgigen Dienstag soll diese Entscheidung dann im Kreise der EU-Europaminister in Brüssel verkündet werden.

Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hat unterdessen auf mehreren Großveranstaltungen am Wochenende seine Auffassung bekräftigt, dass „das Ausland“ wesentlich für die gegen ihn gerichteten Demonstrationen verantwortlich sei. Die weltweite „Zinslobby“ haben ein Komplott inszeniert, dass sich gegen die Türkei und jetzt auch Brasilien richte. Dort seine „dieselben Leute auf der Straße, die mittels Twitter und Facebook mobilisiert werden. Das alles ist vom Ausland orchestriert“, sagte er.

Türkische Medien berichteten am Wochenende, Erdogan habe den Geheimdienst MIT angewiesen, den Spuren dieser ausländischen Verschwörung nachzugehen. Regierungsnahe Medien versuchen, die ausländische Presse als Drahtzieher der Demonstrationen zu entlarven. Die islamistische Boulevardzeitung Takvim fährt eine Kampagne gegen CNN International und deren Chefkorrespondentin Christiane Amanpour. CNN hatte vor der Räumung des Gezi-Parks eine Sondersendung vom Taksimplatz gemacht und darin einen der engsten Berater Erdogans mit den Forderungen der Demonstranten konfrontiert.

Takvim brachte daraufhin auf der Titelseite ein frei erfundenes Interview mit Christiane Amanpour, in dem sie zugab, dass CNN schon Wochen vorher Demonstranten bezahlt habe, um die Gezi-Park-Besetzung zu organisieren. Erst auf den hinteren Seiten wurden die Leser darauf hingewiesen, dass es sich um ein Fake-Interview handelt.

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