Aufblasen, abspritzen, fertig

POP-UP Zwei Studenten entwickeln ein Material, für das sich auch das Militär interessiert

VON ANNA POLONYI

Stellen Sie sich ein Haus vor, das man aufblasen kann wie eine Luftmatratze – mit dem Unterschied, dass es am Ende so hart wird wie Beton. Diese Vision hatten die beiden angehenden Ingenieure Peter Brewin und William Crawford, als sie ein Material entwickelten, das auf Stoff basiert und hart wird, sobald man es mit Wasser benetzt.

Mit ihrer Erfindung nahmen Brewin und Crawford an zahlreichen Wettbewerben teil und gewannen unter anderem den Innovation Award der British Cement Association. Im Anschluss gründeten sie die Firma Concrete Canvas und realisierten das „Gebäude aus der Tüte“.

Für das Produkt interessierten sich schließlich nicht nur Baufirmen, sondern auch das Militär. Die Erfindung könnte aber auch die Erstellung von Notunterkünften revolutionieren. Innerhalb von 24 Stunden kann man damit eine quasi dauerhafte Unterkunft schaffen, hinzugefügt werden muss nur Wasser. Für einen 25 Quadratmeter großen Schutzraum braucht man etwa sechs Badewannen voll.

Die fertige Unterkunft sieht aus wie eine riesige Eierschale und wiegt etwa drei Tonnen, was verhältnismäßig wenig ist. Das Aufblasen der Hülle dauert etwa zwanzig Minuten. Dann werden die Seiten am Boden festgepflockt, die Falten geglättet, alles mit Wasser bespritzt – und das Ganze muss nur noch aushärten.

Beton halte zwar gut, sei aber nicht flexibel genug, erklärt Brewin aus der Zentrale der Firma in Southern Wales. „Die Herausforderung bestand darin, den Beton hart werden zu lassen, ohne dass er Risse bekommt“, sagt Brewin. „Deshalb haben wir Stoff benutzt.“

Bis jetzt wurden in der ganzen Welt erst etwa ein Dutzend der Betonzelte aufgebaut, die hauptsächlich vom Militär genutzt werden. Auch bei einigen Hilfsorganisationen, zum Beispiel in Uganda, haben die Erfinder schon angefragt – doch diese für eine Zusammenarbeit zu gewinnen, ist schwieriger als gedacht: „Baut man eine quasi dauerhafte Notunterkunft, wenn man es mit einer vorübergehenden Notsituation zu tun hat?“, fragt Brewin. „Unsere Gebäude halten etwa fünfzehn bis zwanzig Jahre. Viele Flüchtlingslager bestehen so lange, aber das möchte niemand zugeben.“

Das neue Material mag zwar noch nicht dort genutzt werden, wo es am dringendsten gebraucht wird, aber es hat sich wegen seines relativ geringen Gewichts und der kurzen Zeit, in der es montiert werden kann, bereits unter sehr schweren Bedingungen als nützlich erwiesen. Als Ingenieure in Chile im Jahr 2011 einen Kanal bauten, der auf 5.000 Meter Höhe Gletscherwasser führen sollte, war Concrete Canvas genau das Material, das sie dafür brauchten.

Aus dem Englischen von Heike Brandt