„Olympia ist eher ein Fernsehereignis“

taz: Herr Beha, in Turin beginnen die Olympischen Winterspiele, aber in Italien scheint das keiner bemerkt zu haben. Interessieren die Spiele niemanden?

Oliviero Beha: Ich kann nur feststellen, dass in den letzten Monaten kaum über die Spiele geredet und berichtet wurde. Und sogar die Diskussion darüber, warum keiner über die Spiele redet, ist völlig ausgeblieben.

Der Bürgermeister von Turin hat schon vor Monaten gesagt, ihm fehlten die Mittel für angemessene Öffentlichkeitsarbeit.

Diese Erklärung ist doch unglaublich! Die Spiele kosten über drei Milliarden Euro, das Fünffache der Ausgangskalkulation, und da soll kein Geld für Werbung da gewesen sein? Hinzu kommt: Wir haben den mediengewandtesten Ministerpräsidenten weltweit, der ist ja nicht nur Medienzar, sondern auch ein echtes Kommunikationstalent.

Dabei sind die Italiener doch eine sportbegeisterte Nation.

Aber da haben wir einen gewichtigen Unterschied zwischen den Olympischen Spielen und einer Fußball-WM. Die WM wird von einem Land organisiert, Olympia dagegen von einer Stadt. Turin hat einen linken Bürgermeister, schon sein Vorgänger, der heute Chef des Organisationskomitees der Spiele ist, kam von der Linken, und auch die Region Piemont ist links regiert. Das führt zu einer möglichen Antwort: In Rom regiert schließlich die Rechte unter Berlusconi. Die hat kein Interesse, dass groß über die Spiele geredet wird.

Aber die Opposition hat gegenüber diesem beredten Schweigen auch still gehalten.

Ich habe da einen anderen Verdacht. Womöglich hat die Stadt sich schlicht übernommen. Turin wollte mit den Spielen den Neuanfang nach der Agnelli-Ära, nach Fiat, schaffen. Aber heute ist die Organisation solcher Spiele ein wahnsinnig schwieriges Unterfangen: Die sind ja eher ein Fernsehereignis, und die Veranstalter bleiben regelmäßig auf Wahnsinnskosten sitzen, die dann die Bürger bezahlen dürfen. Da ist es fast zwangsläufig, dass die Veranstalter das Ereignis gern niedrig hängen.

Wenn jetzt die Wettbewerbe beginnen – werden die Italiener dann endlich aufwachen?

Ja, wenn Giorgio Rocca bei den Ski-Wettbewerben Medaillen einfährt, so wie früher Alberto Tomba. Die Italiener schauen nur hin, wenn die eigenen Sportler siegen. INTERVIEW: MB