CDU-LANDESMINISTER WILL EIN FÜNFTEL DER MUSLIME AUSWEISEN
: Eine Inszenierung „Wir gegen die“

Das Grundgesetz ist eine liberale Verfassung und die Basis eines vernünftigen, demokratischen Systems. Allerdings kann man auch im Namen des Vernünftigen unvernünftig sein und im Namen des liberalen Grundgesetzes antiliberale Ziele verfolgen. Das hat die Bild-Zeitung getan, als sie 1977 mit der Waffe in der rechten und dem Grundgesetz in der linken Hand gegen ein paar Dutzend RAF-Terroristen ins Feld ziehen wollte. Einen ähnlich schiefen Ton hat nun der Stuttgarter Europaminister Willi Stächele angeschlagen: Jene 21 Prozent der Muslime, die den Koran für unvereinbar mit dem Grundgesetz halten, sollen, so Stächele, „gefälligst wieder weggehen. Hier isch die Fahrkart!“

Man muss sich diesen Satz in Schwäbisch vorstellen, um ihn richtig zu hören. Der CDU-Mann schlägt vor, die Aufenthaltserlaubnis von Muslimen oder sogar ihre Staatsbürgerschaft von einer Meinung abhängig zu machen. Damit ist die Grenze zum Ressentiment überschritten: Wir, deutsch, christlich und grundgesetztreu, gegen die, Ausländer, Muslime, Fundamentalisten. Das ist die Botschaft. Sie hat den Vorzug, deutlich zu sein.

Halten wir kurz die Fakten dagegen. Die Zahl 21 Prozent stammt aus einer Umfrage des Islam-Archivs. Ob sie repräsentativ ist, ist zweifelhaft. Sicher ist indes, dass 1972 noch dreimal so viele Muslime den Koran und das Grundgesetz für unvereinbar hielten. Außerdem ist die Frage schon formal-logisch unbrauchbar, um die Grundgesetztreue von Muslimen zu prüfen. Was würde denn die Islamkritikerin Necla Kelek antworten? Doch wohl, dass Koran und Grundgesetz nicht zusammenpassen. Will Stächele auch Kelek vor die Tür setzen?

Doch wo das Ressentiment regiert, kommt es auf Fakten oder Logik nicht an. Stächeles Äußerung wirft ein Schlaglicht auf die Muslim-Test-Debatte. Es geht eben nicht darum, das Licht der Aufklärung in finstere Migrantenmilieus zu tragen, sondern um eine „Wir gegen die“-Inszenierung. So scheint am Grund dieser Debatte eine alte und sehr kindische Fantasie wieder auf: das Bild des Gastarbeiters, dem die Mehrheitsgesellschaft eines Tages doch die Fahrkarte nach Hause in die Hand drücken wird. Wir waren schon mal weiter.

STEFAN REINECKE