Querdenkerin für Mappus

Auf den ersten Blick ist es eine zünftige Überraschung: Marion Schick wird neue Kultusministerin in Baden-Württemberg. Eine unüberhörbar bayerische Frau ohne Parteibuch – und der erste Coup des dort seit zwei Wochen amtierenden, neuen Ministerpräsidenten, Stefan Mappus (CDU), der gestern sein kaum verändertes Kabinett vorstellte.

Acht Jahre leitete die heute 51-jährige Professorin, Diplom-Handelslehrerin und zweifache Mutter die Hochschule München, die erste Frau an der Spitze einer Uni in Bayern. Für die Reformen, die sie dort durchsetzte, erhielt sie 2008 das Bundesverdienstkreuz. 2009 wechselte sie als erste Frau in den Vorstand der Fraunhofer-Gesellschaft. In dieser Rolle hat sie Positionen vertreten, die im Hightech-Ländle auf offene Ohren stoßen dürften: Junge Männer, vor allem aber Frauen für Technik begeistern, etwa in Schulen durch Einführung eines berufspraktischen Tages pro Woche nach dem Vorbild der DDR. „Man kann zwar Goethe zitieren, darf aber frei sagen, dass man nicht weiß, woher der Strom aus der Steckdose kommt“, solche Kritik hört man von ihr.

Für Wirbel sorgte sie 2008 als Leiterin eines Expertenberichtes „Schule und Bildung“ für die Landesregierung. Darin forderte Schick einen groß angelegten Umbau des Bildungssystems: angefangen von der frühkindlichen Bildung und einer Aufwertung des Berufs der Erzieherin bis zu einer neuen Lehrerausbildung. Nicht der Pädagoge sei dort das Leitbild, „sondern der kleine Fachwissenschaftler“. Unter dem Schlagwort „die entfesselte Schule“ trat sie für mehr Autonomie für Schulen ein. Noch hat sich Schick über ihre Vorstellungen in Baden-Württemberg wenig geäußert – ihr umstrittener Vorgänger Helmut Rau (CDU) hinterlässt ihr keine leichte Aufgabe: Auf dem Land schließen die Hauptschulen wegen Schülermangel, Unterrichtsausfälle häufen sich, Rektoren proben den Aufstand gegen die neue „Werkrealschule“.

Auf den zweiten Blick überrascht Schicks Berufung allerdings weniger: Das dreigliedrige Schulsystem, den Heiligen Gral der Südwest-CDU, hat sie nie kritisiert. Stattdessen verleiht sie Mappus knapp ein Jahr vor der nächsten Landtagswahl die Aura der Überparteilichkeit. INGO ARZT