BODE MILLER

Vollendung eines Verrückten

Eins war am Ende dann doch, wie es immer schon war. Als Bode Miller für seine Verhältnisse vergleichsweise kontrolliert den Hang hinuntergekurvt war und ausgerechnet im Slalom, seiner zuletzt schlechteren Disziplin, einen großen Rückstand aus der Abfahrt, seiner eigentlich besseren, aufgeholt hatte, als er doch noch Olympiasieger geworden war und viel zu spät endlich das schaffte, was ihm schon immer alle zugetraut hatten, wiederholte Konkurrent Benjamin Raich dann noch einmal das Urteil, mit dem Miller leben muss, seit er dabei ist im alpinen Zirkus, also schon ziemlich lange. „Verrückt“ sei er, der Amerikaner, meinte der Österreicher, immer noch.

Immerhin dies. Denn ansonsten war an diesem Tag alles anders. Miller war nicht als Favorit in die Kombination gegangen. Er war eigentlich nicht mal als Medaillenkandidat nach Whistler gereist. Im Gegensatz zu Turin vor vier Jahren. Doch im Gegensatz zu Turin, wo er als Topfavorit ohne Edelmetall geblieben war und zum „meist gehassten Sportler in der olympischen Geschichte“ (Miller über Miller) wurde, ist dieses krönende Gold nun schon seine dritte Medaille bei diesen Spielen nach Bronze in Abfahrt und Silber im Super-G.

Mit 32 Jahren ist Miller so erfolgreich wie nie. Dazu musste der Rebell, der sich gern mit Funktionären, Teamkameraden und Konkurrenten anlegte, erst älter werden und Vater. Vor zwei Jahren wurde seine Tochter Dacey geboren, vor einem Jahr kehrte er in den Schoß des US-Verbandes zurück. Und seinen Harakiri-Stil bremst er nun gerade so ein, dass er halbwegs sicher einen Berg hinunterkommt.

Doch manches ändert sich dann doch nie: Miller ist immer noch ein Freigeist. Und auf die Frage, was ihm dieses erste olympische Gold denn bedeute, wusste er nur zu sagen: „Nicht so viel. Aber es macht mich glücklich, dass ich heute gut Ski gefahren bin.“ THOMAS WINKLER