Die postkoloniale Wunderkammer hinter der Barockfassade

SCHLOSS Als künftige Nutzer wollen die Staatlichen Museen, die Berliner Landesbibliothek und die Humboldt-Universität neue Inhalte vermitteln

Die ethnologische Sammlung soll den Abschied vom eurozentristischen Blick vermitteln

BERLIN taz | Die Barockfassade des Stadtschlosses ist nur Tarnung. Im Inneren soll eins der modernsten Museumsprojekte der Gegenwart entstehen – das „Humboldtforum“. Eine „Bühne der Gegenwart“, auf der sich Wissen und Kulturschätze verschiedener Länder und Zeiten begegnen. Drei Hauptnutzer werden üppige 41.000 Quadratmeter Nutzfläche und drei Etagen bespielen: die Humboldt-Universität mit ihren wissenschaftshistorischen Sammlungen, die Zentral- und Landesbibliothek Berlin mit einer „Welt der Sprache“. Und die Staatlichen Museen werden die Sammlungen des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst vom abgelegenen Standort Dahlem in die Stadtmitte holen.

Die „Agora“ als Eintrittsbereich und zentraler Veranstaltungsort soll „einen offenen, einladenden Charakter“ haben. Neben Museumsshops und Gastronomie sind Multifunktionsräume für Veranstaltungen geplant. Die ständige Ausstellung „Historische Mitte Berlin – Identität und Rekonstruktion“ informiert über die Baugeschichte.

Noch 2010 klangen die Pläne für die Agora weitaus kühner. Das Herzstück des Humboldtforums sollte sie werden, in dem die Fäden der Diskurse in der Hauptstadt und der Welt zusammenlaufen. Für den intellektuellen Überbau hatte man eigens aus Zürich den Kulturmanager Martin Heller geholt, zuvor Leiter der Kulturhauptstadt Linz 2009. Ihm zur Seite steht ein achtköpfiges Beraterteam, hochkarätig besetzt mit Persönlichkeiten aus der internationalen Kulturszene. Drei Jahre später sagt Heller am Telefon, dass er sich gerade weniger um die Agora kümmere, sondern um die Museumsflächen. Die seien ihm jetzt „wichtiger als das Erdgeschoss“.

Unumstrittener Star im Humboldtforum sind die außereuropäischen Sammlungen. Den 20.000 Objekten steht mit 22.000 Quadratmetern etwas mehr Platz zur Verfügung als am alten Standort. Eine Chance, Glanzstücke wie die berühmten melanesischen Boote in neuem Licht zu zeigen. Dazu gehören auch eine kritische Auseinandersetzung mit der kolonialen Geschichte der Sammlung und der Abschied vom eurozentristischen Blick auf „andere“ Kulturen. Vorgesehen ist eine enge Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern und Künstlern aus den Herkunftsländern der Objekte, den sogenannten source communities.

Die Universität plant ein „offenes Labor“, das einem Laienpublikum auf alltagsnahe Weise Wissenschaftsprozesse verständlich machen will. Vorbild sind die populären Vorlesungen über den Kosmos, die Alexander von Humboldt an der Berliner Universität seines Bruders hielt. Auf Wissen zum Anfassen setzt auch die Landesbibliothek, die auf 4.000 Quadratmetern eine „Welt der Sprache“ mit multimedialen Mitmachangeboten entfalten will. Noch moderner als das Centre Pompidou in Paris will man sein.

Derzeit werden die Inhalte dezentral erprobt: Im Humboldt-Lab in Dahlem entstehen für 4 Millionen Euro Probemuseumsstationen, die Universität lässt für ihr Labor einen Trakt des Naturkundemuseums ausbauen. Die Eröffnung am Schlossplatz ist für frühestens 2019 vorgesehen. NINA APIN