„Etwas mehr Sinn für Aggression“

Leichte Erschütterungen sind manchmal ganz gesund: Anne-Marie Duguet, Kuratorin der Ausstellung „Smile Machines“ im Rahmen der Transmediale, hält Humor im Umgang mit der technologischen Entwicklung für notwendig. Spielerisch will sie die Grenzen zwischen Kunst und Technik überwinden

INTERVIEW HARALD FRICKE

taz: Frau Duguet, den Titel Ihrer Ausstellung „Smile Machines“ haben Sie einem Objekt des Fluxus-Künstlers George Maciunas entlehnt. Was hat es damit auf sich?

Anne-Marie Duguet: Bei „Flux Smile Machine“ von George Maciunas handelt es sich um ein kleines Instrument, das er zwischen 1970 und 1972 erfunden hat. Es besteht aus einer Spannfeder, die in den Mund gesteckt werden kann, um so ein ständiges Lächeln zu erzeugen. Ich beziehe mich mit der Ausstellung aber auch auf Alfred Jarrys Theaterstück „Père Ubu“, in dem er die Situation seiner Zeit angreift und den damaligen Machtverhältnissen mit allen möglichen Absurditäten begegnet. Mir ging es um einen weit gefassten und dynamischen Begriff von Humor.

Warum ist dieser Humor an Maschinen gekoppelt?

Die Maschine ist für mich eine Metapher, die sämtliche Bereiche der Gesellschaft bis in die Allgegenwart von Institutionen hinein umfasst. Sie ist zugleich ein Spiegel für den neuesten Stand von Technologie, deshalb finde ich das Thema im Rahmen einer Transmediale durchaus angemessen – auch um zu zeigen, wie der Umgang mit Maschinen und Technologie gegen sich selbst gewendet werden kann.

Können Maschinen überhaupt Humor haben?

Gewöhnlich sehen wir Maschinen eher als Geräte an, die uns Zwängen unterwerfen. Es gibt entweder nur die dramatische Seite, auf der Technik als böse Macht gilt, oder eben die Auffassung, sich den Neuerungen und Versprechen der Technologie zu fügen. Die Künstler, die ich ausgewählt habe, gehen nun weder den einen noch den anderen Weg, sie versuchen sich mit Humor gegen die Zumutungen der Maschinenwelt zu behaupten. Wie Nam June Paik gesagt hat: „Stop and think!“

Wobei Sie die ganz aktuellen Entwicklungen auf dem Artificial-Intelligence-Sektor weitgehend ausblenden?

Im Prinzip arbeitet auch Simon Pennys seit 1989 ständig weiterentwickelter „Petit Mal“-Roboter nach dem Prinzip von intelligenten Systemen zur Objekterkennung. Aber solche Beispiele sind in der Ausstellung wohl weniger augenfällig, denn ich wollte keine Trends aus dem Bereich der Hochtechnologie aufzeigen, zumal der Humor dort doch sehr hinter dem Forschungsgegenstand zurücktritt.

Also haben Sie sich für eine Ausstellung entschieden, die ohne technologische Machbarkeitsfantasien auskommt?

Ja, ich mache ganz gewiss keine Versprechungen, was den technischen Fortschritt betrifft. Mir war es in erster Linie wichtig, verschiedene Medien zusammenzubringen, von Video, Interaktion und Robotik bis hin zu den gestickten Textbildern von Annette Messager. Für mich gibt es auch nicht eine klar definierte Richtung, in der sich Technologie entwickelt hat, sie wirkt heute viel mehr in sehr unterschiedliche Sphären der Kunst hinein. Und außerdem ist Humor ja kein Privileg einer bestimmten Technik.

Im Kunstbetrieb sind Video und Net-Art längst etablierte Darstellungsformen. Worin liegt da noch die Besonderheit einer Transmediale?

Im Museum drehen sich Ausstellungen weiterhin hauptsächlich um Malerei und Skulptur. Zwar zählt heute Videokunst dazu, aber ansonsten legen die Institutionen fest, was passt und was nicht. Man darf nicht vergessen, dass die Transmediale im engen Sinne keine Kunstveranstaltung ist, sondern dass wir noch immer versuchen, die Grenzen einzureißen zwischen Kunst und Technologie. Mir fällt es sehr schwer, wenn ich definieren soll, was bei „Smile Machines“ nun genau ein Kunstwerk und was eine technische Apparatur ist. Natürlich habe ich Kriterien, nach denen ich die Exponate ausgewählt habe. Aber Norman White etwa hat sich mit seinem „Helpless Robot“ nie ausschließlich im Kunstkontext positioniert.

Ein Label wie Medienkunst wird solchen Entwicklungen doch auch nicht wirklich gerecht?

Medienkunst ist eine Kategorie, die alles umfasst und wenig aussagt. Andererseits sollte man die Auswirkungen der neuen Technologien nicht unterschätzen: Die modernen Kommunikationsmaschinen haben unser Verhalten verändert. Handy, E-Mail, Internet, das hat zu einem Wandel in der Aufmerksamkeit geführt, die wir auf Kommunikation verwenden. Es ist ja mittlerweile kaum mehr möglich, von einem Gesprächspartner einfach dessen Telefonnummer gesagt zu bekommen – stattdessen wird sie einem per Mail zugeschickt.

Was man durchaus mit Humor nehmen kann?

Ich wollte mich mit der Ausstellung den technischen Neuerungen nicht versperren, aber es sollte schon sichtbar werden, dass ein kritisches Potenzial innerhalb technologischer Entwicklungen existiert und von Künstlern auch als solches genutzt wird.

Indem Kunst, frei nach Marshall McLuhan, all die technischen Prothesen belächelt, mit denen sich der Mensch umgibt?

Auch das Lächeln ist eine Prothese, es ist die Verlängerung einer mentalen Haltung. Der Humor, den ich meine, zielt auf Subversion. Bei der Auswahl habe ich mich nach Kunstwerken umgeschaut, in denen dieser Humor zu einer oft nur leichten Erschütterung in unserem Verständnis von Technologie führt. Es ist manchmal ganz gesund für eine Gesellschaft, wenn sie in ihren Gewissheiten aufgerüttelt wird.

Im Katalog zur Ausstellung sprechen Sie in diesem Zusammenhang gerne von Spott, den die Künstler mit ihren Arbeiten ausüben?

Spott oder Hohn, jedenfalls eine aggressive Form von Humor. Wir müssen wieder etwas mehr Sinn für Aggression entwickeln, durchaus auch Spaß an dieser Aggressivität. „Smile Machines“ betont den spielerischen Charakter in der Auseinandersetzung mit Technologie. Niemand soll hier in irgendeine Falle gehen, eher setzt meine Inszenierung auf Überraschungseffekte. Und sie versucht, den Betrachter durch sein Lächeln zum Komplizen zu machen.