Neue Eskalationsstufe

Iran kommt vor den UN-Sicherheitsrat. Doch Teheran wird noch Raum für Verhandlungen gelassen

VON BAHMAN NIRUMAND

Was viele befürchtet und andere gehofft hatten, ist eingetroffen: die Akte über das iranische Atomprogramm wird an den UN-Sicherheitsrat überwiesen. Darauf haben sich die Außenminister der fünf ständigen Mitglieder im Weltsicherheitsrat, USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien, in der Nacht zum Dienstag geeinigt. An dem Treffen in London hatten auch der EU-Außenbeauftragte Javier Solana und Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier teilgenommen.

Die Internationale Atombehörde (IAEO) solle „seine Entscheidung über die vom Iran verlangten Schritte dem UN-Sicherheitsrat überstellen“, hieß es in der gemeinsamen Erklärung. Die Außenminister betonten ihre „gemeinsame Sorge“ bezüglich des iranischen Atomprogramms und forderten die iranische Regierung auf, alle Aktivitäten zur Urananreicherung einschließlich der Forschung wieder auszusetzen. Es wurde vereinbart, dass die EU bei der für Donnerstag geplanten Dringlichkeitssitzung des IAEO-Gouverneursrats in Wien eine Resolution vorlegt, in der die Einschaltung des UN-Sicherheitsrats gefordert wird. „Das ist die wichtigste Entscheidung der Staatengemeinschaft in der Iran-Frage seit mehreren Jahren“, sagte ein US-Diplomat.

Überraschend war, dass Russland und China diesem Beschluss zugestimmt haben. Beide Länder, die weitreichende Wirtschaftsbeziehungen zum Iran pflegen, hatten bis zuletzt ein hartes Vorgehen abgelehnt. Ihrem Widerstand ist wohl nun zu verdanken, dass der Beschluss nicht so radikal ausfiel wie ursprünglich von Washington gefordert. In der Erklärung der Außenminister heißt es, der Sicherheitsrat solle sich erst im März mit dem Fall beschäftigen. Offenbar haben Moskau und Peking durchsetzen können, dass zunächst der Bericht des IAEO-Generalsekretärs Mohammed al-Baradei auf der regulären Sitzung des Gouverneursrats am 6. März abgewartet wird.

Mit der Fristsetzung bis März wird Teheran noch Raum für Verhandlungen gelassen. Moskau hofft, Iran bis dahin für seinen Vorschlag, die Urananreicherung in Russland vorzunehmen, gewinnen zu können. Dies ist auch mit ein Grund dafür, dass Russland wenige Stunden nach der Sitzung in London den Beschluss der Außenminister herunterzuspielen versuchte. Die Außenminister hätten sich nur darauf verständigt, den Sicherheitsrat über die Ergebnisse der IAEO-Dringlichkeitssitzung zu informieren, sagte ein russischer Außenamtssprecher. Iran hat den russischen Vorschlag bisher nicht abgelehnt. Die Verhandlungen darüber sollen am 16. Februar in Moskau fortgesetzt werden.

Ob nun die USA ihren Plan durchsetzen können, im UN-Sicherheitsrat Sanktionen gegen Iran zu beschließen und möglicherweise auch militärische Maßnahmen gegen das Land zu ergreifen, bleibt fraglich. Es ist trotz des Beschlusses in London nicht sicher, ob am kommenden Donnerstag die Mehrheit der 35 Mitglieder des IAEO-Gouverneursrats für die Einschaltung des UN-Sicherheitsrats stimmen wird. Die juristischen Argumente für eine solche Maßnahme sind schwach. Iran hat zwar lange sein Atomprogramm verschwiegen, kooperiert aber seit zwei Jahren mit der IAEO. Einen Nachweis, dass Teheran die Atombombe plane, konnten IAEO-Inspekteure bisher nicht vorlegen. Sollten die Angaben der iranischen Regierung zutreffen, werden zumindest die blockfreien Länder gegen eine Anrufung des UN-Sicherheitsrats stimmen. Aber selbst wenn die russischen Vermittlungsbemühungen scheitern sollten und der Weltsicherheitsrat sich mit dem Konflikt befassen würde, ist längst nicht ausgemacht, dass der Rat tatsächlich Sanktionen gegen Iran beschließt. Allgemein wird damit gerechnet, dass China und Russland dagegen ihr Veto einlegen. Aber auch, wenn die beiden Mächte sich der Stimme enthalten, bliebe die schwierige Frage, welche Sanktionen Iran zum Nachgeben zwingen könnten. Ein Wirtschaftsembargo gegen den weltweit viertgrößten Ölproduzenten würde zwar Iran hart treffen, weil das Land auf den Verkauf von Öl und Gas angewiesen ist. Aber einen nicht minder großen Schaden würde Europa durch Ölknappheit und einen möglichen Anstieg der Ölpreise davontragen. Werden also die USA auch dieses Mal einen Alleingang wagen? Oder wird Israel die „Angelegenheit“ auf eigene Faust erledigen? Israels Verteidigungsminister erklärte kürzlich, sollten diplomatische Bemühungen fehlschlagen, würde Israel auf eigene Faust den Iran zur Aufgabe seines Programms zwingen.