RENTE: WARUM ARBEITEN NICHT ALLE SO LANG, WIE SIE WOLLEN?
: Zwanghafte Lebensplanung

Vorerst wird aus Franz Münteferings Idee wohl nichts werden, die Einführung der „Rente mit 67“ um ein paar Jahre vorzuziehen. Da mögen die Löcher in der Rentenkasse noch so groß sein – der Koalitionspartner CDU/CSU ziert sich noch, und auch in der SPD selbst hält sich die Begeisterung in Grenzen, denn der Vorschlag zielt in Wahrheit auf die Kürzung des Rentenniveaus.

Interessant sind aber die neuen Töne. Da wird plötzlich angemerkt, ein einheitliches Rentenalter sei ungerecht, weil Menschen in schlecht bezahlten Berufen früher sterben als etwa Akademiker; da gibt es auf einmal Vorschläge, den Eintritt in den Ruhestand flexibler zu handhaben. In der Tat: Eher als über eine pauschale Anhebung sollte die Politik über die völlige Aufhebung des starren Rentenalters nachdenken, das ohnehin erst seit rund fünfzig Jahren als Normalfall gilt. Denn ursprünglich war die Idee der Rentenversicherung keineswegs, ältere Menschen pauschal aus dem Erwerbsleben auszusperren; vielmehr sollte die Versicherung das Risiko abdecken, das durch Arbeitsunfähigkeit im Alter entstand. So war ursprünglich das Erreichen der – angesichts der Lebenserwartung – sehr hohen Altersgrenze die Ausnahme, die Invalidenrente dagegen die Regel.

Schuften bis zum Umfallen: Das mag heute keine verlockende Perspektive mehr sein. Der Abschied vom starren Rentenalter wäre es aber sehr wohl. Ob jemand noch arbeiten kann, ob er es will, wie lange er schon Beiträge bezahlt hat – diese Faktoren sollten künftig eine größere Rolle spielen als das biologische Alter. Wer mit 15 Jahren begonnen hat zu arbeiten oder seine Gesundheit in körperlich anspruchsvollen Jobs ruiniert hat, der könnte dann früher in Rente gehen. Wenn ein Wissenschaftler dagegen auch mit 80 noch arbeiten will, dann sollte er das tun dürfen.

Derzeit aber ist es noch so, dass die Regierung selbst bei den neuen Formen der Vorsorge auf starre Regeln drängt. Wenn heute beispielsweise ein 30-Jähriger die Riester-Rente abschließt, dann muss er sich endgültig entscheiden, ob er mit 60 oder mit 65 Jahren in Rente gehen will. Dieser Zwang zur durchbürokratisierten Lebensplanung ist schlichtweg absurd. RALPH BOLLMANN