Das Arbeitslos bleibt eine Niete

Drei Viertel der Arbeitslosen in NRW gelten als schwer vermittelbar. Die Chefin der Arbeitsagentur wirbt für Ehrlichkeit und einen zweiten Arbeitsmarkt

VONANDREAS WYPUTTA

Drei Viertel der Arbeitslosen in Nordrhein-Westfalen haben auch langfristig keine Chance auf einen regulären Job im ersten Arbeitsmarkt. Das ist das bittere Fazit des Arbeitsmarktberichts für Januar, den die Regionaldirektion NRW der Bundesagentur für Arbeit gestern vorgestellt hat. Danach haben etwa 800.000 Arbeitssuchende derartige „strukturelle Defizite“, dass sie als kaum vermittelbar gelten: „552.000 Arbeitslose verfügen über keinerlei Qualifikation“, sagt Regionaldirektions-Sprecher Werner Marquis. Hinzu kommen 272.500 über 50-jährige und fast 150.000 jüngere Menschen, die trotz Ausbildung seit mehr als einem Jahr eine Stelle suchen. Außerdem finden sich in der Statistik 130.000 Menschen mit gesundheitlichen Problemen. Ohne weiteres addiert werden könnten die Zahlen aber nicht, glaubt Marquis: „Es gibt auch ältere Arbeitslose ohne Qualifikation, die gesundheitliche Probleme haben.“

Angesichts der erschreckenden Zahlen plädiert die Arbeitsverwaltung nun offen für einen zweiten, staatlich geförderten Arbeitsmarkt: „Wir müssen den Langzeit-Arbeitslosen ehrliche Antworten geben“, sagt Christiane Schönefeld, Chefin der Regionaldirektion – und bekommt Unterstützung von Leitern der lokalen Arbeitsagenturen: „Es gibt einen großen Personenkreis, der an einer wie auch immer gearteten Konjunkturerholung nicht partizipieren wird“, sagt etwa Luidger Wolterhoff, Chef der Bochumer Arbeitsverwaltung. Einen „Anspruch auf Teilhabe“ hätten diese Arbeitssuchenden aber: „Arbeit ist auch Sinnstiftung.“

Von der aber sind im größten Bundesland immer mehr Menschen ausgeschlossen. Die Zahl der Arbeitslosen stieg im Januar auf 1,083 Millionen, das sind 52.300 mehr als im November. Die Arbeitslosenquote erhöhte sich damit von 11,7 auf 12,3 Prozent. Aussicht auf Besserung aber ist nicht in Sicht: „Im Januar haben sich über 150.000 Menschen neu arbeitslos gemeldet“, stöhnt Regionaldirektions-Sprecher Marquis: „Gleichzeitig wurden uns nur 40.000 offene Stellen neu gemeldet.“

Dennoch will CDU-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann von einem öffentlich geförderten Arbeitsmarkt nichts wissen. „Ein öffentlicher Beschäftigungssektor für über 500.000 Menschen – das ist kaum vorstellbar, um es vorsichtig zu sagen“, so Sprecher Ulrich Lensing zur taz. Zwar treffe die Arbeitslosigkeit heute auch immer öfter „junge gut Ausgebildete“, weiß Lensing. Doch will Laumann weiter auf die alten Rezepte setzen: „Das Wirtschaftswachstum ist entscheidend.“ Überlegungen des Ministeriums zum Thema Kombilohn seien dagegen noch nicht abgeschlossen.

Aufgeschlossener für Neues zeigt sich der Landtagsfraktionsvize der SPD, Rainer Schmeltzer: „Wir brauchen Anreize, um schwer Vermittelbaren Chancen zu bieten.“ Die aber existieren nur auf dem zweiten Arbeitsmarkt, meint Barbara Steffens, Arbeitsexpertin der Grünen: „Endlich begreift das auch die Arbeitsverwaltung.“