Deutsche Geiseln - ein erstes Lebenszeichen

Der arabische Nachrichtensender al-Dschasira strahlte gestern ein Videoband aus. Die Entführer fordern laut Presseberichten, dass Berlin den Kontakt zum Irak abbricht und die Hilfe für das Land einstellt

BERLIN rtr/afp/taz ■ Nach drei Tagen gibt es nun erstmals ein Lebenszeichen von den beiden im Irak verschleppten Deutschen. Der arabische Nachrichtensender al-Dschasira strahlte gestern ein Band aus, in dem die beiden Ingenieure zusammen mit vier bewaffneten und vermummten Männern zu sehen sind.

Das Band trägt das Datum von Dienstag, dem Tag der Entführung. Nach Angaben des ZDF nennen Thomas Nitzschke und René Bräunlich ihre Namen und den ihres Arbeitgebers, der Firma Cryotec, und appellieren an die Bundesregierung, alles für ihre Freilassung zu tun.

Der Wille ist da, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel unverzüglich verkündete: Die Bundesregierung werde alle Anstrengungen unternehmen, „unsere Landsleute sicher, unversehrt und gesund nach Hause zu bringen“. Der Krisenstab arbeite rund um die Uhr. Sie selber werde laufend über den Stand der Dinge unterrichtet. Merkel forderte die Entführer auf, die beiden Deutschen unverzüglich freizulassen. Außenminister Frank-Walter Steinmeier schloss sich dem Appell an. „Die Kontaktaufnahme seitens der Entführer hat stattgefunden“, sagte er gestern. Nun versuche die Bundesregierung, „mit Bedacht und Augenmaß“ vorzugehen, um das Leben der Geiseln „in keiner Weise zu gefährden“. Zu der Gruppe könne die Bundesregierung „im Einzelnen nichts sagen“, fügte Steinmeier hinzu. Alles weitere werde im Krisenstab besprochen, der am Nachmittag erneut zusammentreten sollte.

Laut al-Dschasira erhielt der Sender das Band von einer islamistischen Extremistengruppe, die sich Brigade der Ansar al-Tauhid Wa-Sunna nennt – und der deutschen Justiz wohl bekannt ist. Im Oktober waren in Düsseldorf vier Mitglieder von al-Tauhid zu mehrjähriger Haft verurteilt worden. Sie hatten laut dem Richterspruch auf Befehl des international gesuchten irakischen Al-Qaida-Anführers Abu Mussab al-Sarkawi Anschläge auf zwei Restaurants in Düsseldorf und auf die Jüdische Gemeinde in Berlin geplant. Ihr Vorhaben konnte durch ein rechtzeitiges Eingreifen von Bundesnachrichtendienst, Bundeskriminalamt und Verfassungsschutz vereitelt werden. Al-Sarkawi, dessen richtiger Name Ahmed Fadhil al-Chalayleh lautet, gilt schon länger als enger Verbündeter von Bin Laden und als dessen Statthalter im Irak.

Der genaue Hergang der Entführung im Irak ist indessen bislang unklar. Experten des Ministeriums, des Bundesnachrichtendienstes und des Bundeskriminalamts seien dabei, dass Video näher zu untersuchen, sagte Außenamtssprecher Martin Jäger. Das Band sei ein „bedrückendes Zeugnis menschlicher Erniedrigung“.

Laut der Berliner Zeitung Tagesspiegel stellen die Entführer ähnliche Forderungen wie die Geiselnehmer im Fall Osthoff. Die Zeitung zitiert Sicherheitskreise, laut denen die Kidnapper verlangen, dass die Bundesregierung den Kontakt zum Irak abbricht und die Hilfe für das Land einstellt. Die beiden Ingenieure seien allerdings weitaus gefährdeter, als es Susanne Osthoff gewesen sei.

Die Industrieregion Baidschi im Norden des Landes, in der die Männer entführt wurden, gilt als eine der gefährlichsten Gebiete im Irak. Seit Tagen diskutiert daher die deutsche Öffentlichkeit, ob es unverantwortlich von der sächsischen Firma war, Mitarbeiter dorthin zu entsenden. Außenamtssprecher Jäger wollte dies nicht explizit beantworten. Er verwies aber auf die eindringlichen Warnungen des Auswärtigen Amtes vor Reisen in den Irak. Ähnlich erregt debattieren Fachleute und Medien darüber, ob die Firma im Falle einer Freilassung an den Kosten für den Großeinsatz beteiligt werden soll.