Start mit vier Neuen

Mit der Partie Gladbach gegen Bayern geht heute die Bundesliga weiter. Mit dabei: ein Jeck, ein Fußball-Gott, ein Weißbiertrinker sowie eine Notlösung. Eine taz-Bestandsaufnahme

Jeck in Köln

Kürzlich im Wald, irgendwo rund um Köln. Es rennen dort herum: ein Rudel junger Männer in Trainingsanzügen – und ein alter. Der Alte sieht einen Baumstamm am Wegesrand liegen, hält die Truppe an und pickt sich einen raus. Der eine heißt Poldi – und dieser Poldi soll nun versuchen diesen Baumstamm anzuheben. Poldi ist stark und gibt sein Bestes, aber der Baumstamm ist stärker und bewegt sich keinen Millimeter. Der Alte ruft den Rest der Horde dazu – und siehe da: Gemeinsam schaffen sie es tatsächlich, den Baum in die Höhe zu hieven, nicht viel, aber immerhin. Und die Moral von der Geschicht? „Seht ihr, Männer“, ruft sie der Alte in den Wald, „der Poldi kann eben auch nicht alles allein!“

Von Hanspeter Latour, 58 Jahre alt, von Geburt an Schweizer und heute seit genau 25 Tagen Trainer des 1. FC Köln, gibt es dutzende solcher Schmankerln zu erzählen. Mal, da war er noch Trainer beim FC Thun, ließ er seine Mannschaft durch eine Autowaschstraße rennen, um ihr nach vorangegangener schlechter Leistung den Kopf zu waschen (Latour: „Meistens war sie aus, aber nicht immer“). Ein anderes Mal brachte er ein Bärenfell mit in die Kabine, weil Thun an diesem Tag gegen Bern spielte, Bern den Bären als Symbol hat – und Latour den Seinen damit sagen wollte, dass sie den Bären gefälligst zu erlegen hätten.

Geschichten wie diese haben Latour zumindest im kleinen Käseland zur Kultfigur werden lassen, und selbst der Tages-Anzeiger stellte fest: „Latour kultiviert das Bild des bodenständigen, leicht schrulligen Oberländers.“ Die taz wiederum stellt hier und heute fest: Latour ist ein echter Jeck. Was das mit Fußball zu tun hat? Rein gar nichts! Aber wir schreiben hier schließlich auch über den 1. FC Köln. Und nur ein Jeck kann Jecken in der Liga halten. FRANK KETTERER

Urig in Wolfsburg

Er war der Urige, der Weißbiertrinker, der Bodenständige. Solange Klaus Augenthaler beim FC Bayern war – als Spieler und als Co-Trainer –, galt er als der Einheimische schlechthin. Dabei fühlte er sich, als er einst als ganz junger Kerl aus dem erdigen Niederbayern in die oberbayerische Bussimetropole München gewechselt war, wie ein Ausländer. Es muss eine harte Zeit gewesen sein für den Burschen aus Vilshofen. Brav hat er beim FC Bayern jahrelang den Vorzeigebajuwaren gemimt. Und dennoch ist sich der bekennende Biertrinker in der Proseccogesellschaft Münchens nicht selten vorgekommen wie ein Alien.

Als der Kaiser höchstpersönlich anordnete, dass Augenthaler gefälligst in die Welt hinausziehen möge, wenn er etwas erreichen wolle, dass er also nicht sein Leben lang Co-Trainer beim FC Ruhmreich bleiben könne, ging der Bayer nach Österreich, zum Grazer AK. Ein Weltenbummler war er nie, der Auge. Und deshalb erzählte er an jedem Ort, an dem er Trainer wurde, in Nürnberg wie in Leverkusen, die Geschichte seines Umzuges von Vilshofen nach München.

Klaus Augenthaler hat Bayer Leverkusen in die Champions League geführt, und alle Welt hat sich gefragt, wie ausgerechnet der bayerische Sturkopf es geschafft hat, die störrischen Ballzauberer aus Brasilien in den Griff zu bekommen. „Ich weiß, wie man sich als Ausländer fühlt“, hat er immer wieder gesagt. Er könne sich einfach hineinversetzen in die Spieler, die aus einer anderen Fußballwelt kommen.

Jetzt also ist er in Wolfsburg gelandet, einer Stadt, in der es einem Niederbayern wohl ebenso schwer fällt, sich wohl zu fühlen, wie einem Oberbayern. Besonders schwer scheint es für argentinische Möchtegernsuperstars wie Andres d’Alessandro zu sein. Sollte es Augenthaler nun gelingen, den ewig Abwanderungswilligen zu einem eingefleischten Wolfsburger Gute-Laune-Spieler zu machen, der auch am Grätschen Spaß haben kann, dann wird er wohl als Integrationsgenie in die Geschichte der Bundesliga eingehen. Ob Augenthaler wohl selbst daran glaubt? ANDREAS RÜTTENAUER

Schalker Notlösung

Eines hat Schalkes Neuer schon hinter sich: Mirko Slomka weiß, wie es sich anfühlt, von Schalke aussortiert zu werden. Als der Co-Trainer am 3. Januar auf die Geschäftsstelle gebeten wurde, rechnete er fest mit dem Rauswurf. Weil das Richard-Gere-Double auf seinem Weg in einen Großstau geriet, hatte es Zeit, sich in Abschiedsgefühlen zu ergehen. Stattdessen bot ihm Sportmanager Andreas Müller die „Chance seines Lebens“. Slomka nahm die Cheftrainerstelle sofort freudig an.

Derweil fand Amtsvorgänger Ralf Rangnick nur noch vergiftete Worte für den Duzfreund: Slomka sei eine Notlösung. Mit dieser Einschätzung steht Rangnick nicht allein. Und den Beteuerungen des Managements, die den Ex-Skilehrer gar als Ideallösung anpreisen, scheint selbst Slomka nicht zu trauen. Lieber gab er das Aschenputtel: „Wenn jemand wie ich das Angebot bekommt, eine Bundesligamannschaft zu trainieren, muss ich nicht darüber schlafen.“

Die sportlichen Ziele der Knappen sind dennoch nicht kleiner geworden. Der Club will 2006 wieder in der Champions League spielen – dafür müssen auf Bremen fünf Punkte aufgeholt werden. Wenig originell: Slomka will dafür sorgen, dass sein Team mehr Tore schießt – in der Hinrunde haben nur drei Klubs seltener getroffen. Fantasielos zeigte er sich auch beim Rahmenprogramm: Eine Woche vor dem Rückrundenstart regte Slomka eine Grubenfahrt an. Aus der Bergmannskiste bediente sich bereits sein Vorgänger: Rangnicks Antrittsrede endete auf den Knappengruß „Glück auf“. CHRISTOPH SCHURIAN

Gott in Duisburg

„Kokser“ ist wieder im Pott. Jürgen Kohler hat ausgerechnet beim MSV Duisburg angeheuert. Bei der grauen Maus der Bundesliga, dem Inbegriff vom dahindümpelnden Traditionsklub, dem Fahrstuhlverein. Aber Vorsicht, hinter dem Engagement steckt ein tieferer Sinn, ja sogar ein teuflischer Plan: Der Illuminatenorden – der von der Kirche verbotene, im Untergrund agierende, Verschwörungen strickende Geheimbund – hat den ahnungslosen Kohler an die Wedau gelotst!

Mit Hilfe des ehemaligen Weltklassevorstoppers soll endgültig der Triumph der Logik über den Glauben bewiesen werden. Kohler, der während seiner Zeit in Dortmund zum ersten deutschen „Fußballgott“ erklärt wurde, wird dem MSV nicht die Absolution vor dem Abstieg erteilen können, und wenn der himmlische Beistand versagt und es mit Messias Kohler in die 2. Liga geht, wird auch der Letzte überzeugt sein: Der Gott ist gescheitert!

Durch den geschickten Schachzug der Illuminaten hat der MSV praktisch einen Abstiegsplatz gebucht. Der schlechteste Sturm der Liga hat jetzt ausgerechnet den Abwehrholzer als Trainer, genial. Duisburg wird sich förmlich in die zweite Liga (frei)mau(r)ern.

Die Verschwörer haben bei der Durchführung ihres Plans ganze Arbeit geleistet und alle Spuren verwischt. Als Bolzplatzmalocher mit abgebrochener Kfz-Mechanikerlehre passt „Kokser“ perfekt zu Duisburg, und Duisburg passt perfekt in die 2. Liga. Welt- und Europameister, Champions-League- und Weltpokalsieger, mehrfacher Meister in Deutschland und Italien, Kohler wirkt wie ein Erfolgsgarant, ein Erlöser vom Mittelmaß. Trotzdem wird der „Fußballgott“ in Duisburg keine Wunder vollbringen. Der MSV geht mit dem Klopper in die Klopperliga. CHRISTIAN MEYER