Einig für Waffen

SYRIEN Die Verhandlungen der Opposition waren zäh, der gefundene Kompromiss bleibt brüchig. Und Assad sieht sich schon als Sieger

Frieden macht man nicht mit seinem Freund, sondern mit seinem Feind, sagte einmal ein amerikanischer Kommandant im Irak. Diese Einsicht würde man auch der syrischen Opposition wünschen: Die ganze Woche über hat sie bei ihrem Treffen in Istanbul signalisiert, dass sie an der geplanten Syrienkonferenz teilnehmen wolle. Doch am Ende hat sich die „Nationale Koalition“ (NK) dagegen entschieden – und steht nun als der böse Bube da.

Blockiert wird eine politische Lösung, die es am Ende für Syrien wird geben müssen, freilich vor allem vom Despoten Baschar al-Assad. In einem Interview mit einem libanesischen Fernsehsender hat er am Donnerstagabend noch einmal klargemacht, dass er nicht daran denkt, die Macht abzugeben.

Denn Assad wähnt sich auf der Siegerstraße. In dem Interview droht er Israel mit Gegenschlägen. Die von Iran unterstützte libanesische Hisbollah hat sich inzwischen offen zur prosyrischen Kriegspartei erklärt. Der Iran schickt Berater und Know-how zur Aufstandsbekämpfung. Russland hält Assad international den Rücken frei und liefert Waffen. Und der sogenannte Westen sieht hilflos zu.

Von der „Responsibility to Protect“, die die UNO vor Jahren beschlossen hatte, um Massenverbrechen eines Regimes zu verhindern, ist in Syrien keine Rede. Beinahe vergessen ist, dass nicht die Aufständischen den Krieg begonnen haben – die syrische Revolution begann mit friedlichen Demonstrationen. Seitdem hat Assad eine rote Linie nach der anderen überschritten, ohne dass er eine militärische Intervention fürchten musste. Stattdessen wächst der Druck auf die Opposition, so auch in der vergangenen Woche in Istanbul. Mehr Frauen, mehr aufrechte Demokraten wünschten sich europäische Diplomaten von der Nationalen Koalition, die Saudis wollten weniger Muslimbrüder, die wiederum das kleine Katar nach Kräften unterstützt.

Dass viele Oppositionelle für ihre aufrechte Haltung jahrelang im Gefängnis saßen, hat ihre Kompromissbereitschaft bei den Verhandlungen in Istanbul sicher nicht erhöht. Unter den Aktivisten und Rebellen in Syrien, die auf eine stärkere Repräsentanz drängten, erweckte die NK damit den Eindruck eines zerstrittenen Clubs. Nach zähen acht Tagen einigte sie sich schließlich doch noch auf einen Kompromiss. Statt wie bisher 63 gehören der Generalversammlung jetzt 114 Mitglieder an, neben dem demokratischen Block von Michel Kilo auch Aktivisten und Vertreter der Freien Syrischen Armee. Handlungsfähiger wird das Bündnis dadurch kaum werden. Aber es erfüllt so vielleicht die Bedingung für die erhofften Waffenlieferungen. Und das ist es, was die Rebellen vor allem wollen.

Mit der Aufhebung des EU-Embargos haben Frankreich und Großbritannien solche Lieferungen in Aussicht gestellt. Noch mehr Waffen in einen Krisenherd zu bringen ist sicher die schlechteste aller Interventionsmöglichkeiten. Für die Aufständischen in Syrien ist es aber nicht nur die einzige Möglichkeit, ein Regime, das keine Skrupel zeigt, zu stürzen, sondern auch die einzige Möglichkeit, die Extremisten unter ihnen, die im Al-Qaida-Umfeld zu verorten sind, zurückzudrängen. Die Europäer fürchten zu Recht, dass die Waffen in die falschen Hände geraten könnten. Doch Syrien ist nicht Afghanistan. Die Extremisten haben an Boden gewonnen, weil sie durch die Kriege in Afghanistan und Irak kampferprobt sind. Sie haben dank reicher Finanziers am Golf im Gegensatz zu den vielen anderen Rebellenverbänden auch keine Nachschubprobleme. Dass sich die Sunniten in Syrien, die den Aufstand tragen, auf Dauer einem mittelalterlichen Regime beugen werden, ist aber unwahrscheinlich. Die derzeitigen Bündnisse sind eine Koalition auf Zeit.

Je länger der Krieg dauert, desto größer ist die Gefahr, dass die Extremisten ihre eigenen „befreiten Zonen“ schaffen. Auch deshalb muss Europa alles daran setzen, das Morden so schnell wie möglich zu beenden.

INGA ROGG