Der Anarchist der Modewelt

Die Erschütterung in der Modewelt ist immens: Alexander McQueen ist ihr letzter leichtherziger Spieler gewesen. Mitten in die New Yorker Fashion Week kam am Donnerstag die Nachricht von seinem Tod in London über die Smartphones direkt in die Sitzreihen der ersten Schauen. Und jetzt hat die Mode keinen Anarchisten mehr.

McQueen entwarf die Kostüme für die Sängerin Lady Gaga, in dem Video für den Song „Bad Romance“ etwa trägt sie seine hufartigen High Heels aus der Kollektion für dieses Frühjahr. Es ist ein Schuh, der aus dem Fuß etwas macht, was er vorher nicht gewesen ist: einen Klumpen, der trotzdem Grazie hat. Jetzt merkt man: So kann das keiner nachmachen, diese Melange aus Futurismus, Kostümgeschichte und Silhouettenspielerei.

Dabei hat McQueen seine Subversion immer auf das solide Fundament des Handwerks gestellt. Schließlich hat er als Jugendlicher in der Londoner Schneiderstraße Savile Row gelernt: dort, wo man aus dem Herrenanzug mit jeder Menge Steifleinen ein Korsett für den Mann macht. Das Skulpturale, diese Kleider, die den Körper mal verformen und mal seine eigenen Kurven bis ins Groteske betonen, hat McQueen auf seine Frauenkollektionen übertragen. 1995 ließ er für seine Kollektion „Highland Rape“ Tamponfäden von Röcken baumeln. Spätestens ab da galt er als Enfant terrible.

Und das wurde mit 27 Jahren Chefdesigner des französischen Traditionshauses Givenchy – sehr zum Entsetzen seines Gründers Hubert de Givenchy. McQueen blieb es fünf Jahre lang, bis die Gucci-Gruppe, die große Gegenspielerin des Konzerns LVMH, zu dem Givenchy gehört, die Mehrheit seines eigenen Labels übernahm.

Spektakulär sind McQueens Inszenierungen geblieben, mit Schneeflocken und an Leinen geführten Wölfen. Er hat die Mode an ihren Rändern zur Kunst hin ausgedehnt. „Plato’s Atlantis“ hieß seine letzte Herbst-Kollektion; die Kleider kurz und kokonartig, digital mit Schuppen und Verhornungen bedruckt. Die Kollektion, heißt es, war seiner Mutter gewidmet, seiner großen Unterstützerin. Sie starb Anfang Februar. Am Tag vor ihrer Beerdigung hat sich McQueen, 40-jährig, umgebracht. KATRIN KRUSE